18.2.1 Definition. Unbestimmte Integral.
Es sei
Riemann-integrierbar und
. Nach dem Lebesgue'schen
Integrabilitätskriterium (18.1.4) existiert dann für jedes
auch
.
Diese Abbildung
heißt (ein) unbestimmtes Integral von
.
18.2.2 Hauptsatz der Differential und
Integralrechnung.
Das unbestimmte Integral
jeder Riemann-integrierbaren Funktion
ist stetig.
Ist der Integrand stetig bei , so ist differenzierbar bei mit Ableitung .
Umgekehrt sei stetig differenzierbar mit Ableitung . Dann ist Riemann-integrierbar und .
Jede Funktion die erfüllt heißt Stammfunktion von . Insbesonders ist für jede Stammfunktion von und man schreibt auch für die (Familie der) Stammfunktion(en) von .
Beweis. Es ist , also nach (18.1.10) und somit (Lipschitz)-stetig, da beschränkt ist.
Ist zusätzlich stetig bei , so existiert zu ein s.d. für alle mit und damit ist
Ist also stetig, so ist eine Stammfunktion von .
Sei nun stetig differenzierbar mit Ableitung . Somit ist eine Stammfunktion von und nach dem 1. Teil ist das unbestimmte Integral ebenfalls eine Stammfunktion, also ist die Ableitung von gleich 0 und damit nach dem Spezialfall des Mittelwertsatzes (17.1.4) konstant, also . []
Bemerkung.
Der Hauptsatz besagt also, daß Integrieren und Differenzieren im wesentlichen,
d.h. bis auf Addition einer Konstanten, invers zueinander sind.
Genauer: Es ist Differenzieren auf der Menge der differenzierbaren Funktionen nicht injektiv, denn ist konstant.
Jedoch ist Differenzieren auf der Menge der stetig differenzierbaren Funktionen surjektiv als Abbildung in die Menge der stetigen Abbildungen , denn zu jedem definiert eine Stammfunktion.
Somit definiert dieses unbestimmte Integral eine rechtsinverse Abbildung zum Differenzieren , für die weiters gilt: ist eine konstante Abbildung.
Wenn wir auf den Teilvektorraum einschränkten, dann sind Differenzieren
und (unbestimmt) Integrieren
| ||
18.2.3 Beispiele von Stammfunktionen.
Wir können Formeln die wir für das Differenzieren erhalten haben
als Formeln für (unbestimmte) Integrale interpretieren:
oder auch |
18.2.4 Definition. Logarithmus.
Wir können nun eine direkte exakte Definition des Logarithmus geben (vgl. mit
(17.3.5.3)):
Es sei der natürliche Logarithmus definiert durch
Nach den Sätzen (16.4.4) und (17.3.4) über inverse Funktionen existiert somit die differenzierbare Umkehrfunktion (die Exponentialfunktion) mit (vgl. mit (17.3.5.3)) Weiters folgt aus den Aussagen für , daß und . Es ist
18.2.5 Definition. Allgemeine Potenz und Logarithums.
Sei nun
. Dann setzen wir
Und für heißt die Umkehrfunktion zu der Logarithmus zur Basis . Diese Definition von stimmt für mit der in Mathematik 1 gegebenen Definition überein, denn
18.2.6 Definition. Hyperbolische Winkelfunktionen.
Es sei
eine Funktion. Dann ist
eine gerade und
eine ungerade
Funktion mit
.
Wenden wir dies insbesonders auf die Funktione an, so erhalten wir den Sinushyperbolicus , und den Cosinushyperbolicus . In Analogie zu den üblichen Winkelfunktionen definieren wir den Tangenshyperbolicus als .
Man kann leicht folgende Aussagen beweisen:
18.2.7 Bemerkung. Integration rationaler Funktionen.
Folgende rationale Ausdrücke können wir integrieren:
für | ||
Sei nun eine Nullstelle von . Dann können wir durch so oft wie möglich dividieren und erhalten für eine natürliche Zahl und ein Polynom mit . Somit ist . Folglich betrachten wir
18.2.8 Proposition. Partialbruchzerlegung im
Komplexen.
Es seien
und
Polynome mit komplexen Koeffizienten und mit
.
Weiters seien
die verschiedenen Nullstellen von
und
ihre Vielfachheit.
Dann ist
Wir können nun die Partialbruchzerlegung verwenden um rationale Funktionen zu integrieren.
18.2.9 Beispiel des Integrals einer rationalen Funktion.
Es sei die rationale Funktion
gegeben.
Division mit Rest liefert:
18.2.10 Proposition. Partialbruchzerlegung im
Reellen.
Es seien
und
Polynome mit reellen Koeffizienten und mit
.
Weiters seien
die verschiedenen reellen Nullstellen von
und
ihre Vielfachheit.
Seien schließlich
die echt komplexen
verschiedenen Nullstellen von
und
ihre Vielfachheit.
Dann ist
Beweis. Für jede komplexe Nullstelle von ist auch die konjugierte Zahl Nullstelle und zwar mit der gleichen Vielfachheit , denn aus folgt durch Konjugieren .
Somit ist und wegen (18.2.8)
Beachte, daß eine Stammfunktion von wie folgt mittels Substitutionen und bestimmt werden kann:
Andreas Kriegl 2002-07-01