Von Leibniz stammt folgende Aussage aus 1702:
...imaginäre Wurzeln als feine und wunderbare Zuflucht des göttlichen Geistes, beinahe ein Zwitterwesen zwischen Sein und Nichtsein.Bzw. Euler 1768:
...dieselben ohnmögliche Zahlen sind. Der Begriff von solchen Zahlen, welche ihrer Natur nach ohnmöglich sind und gemeiniglich imaginäre Zahlen oder eingebildete Zahlen genannt werden, weil sie bloß allein in der Einbildung statt finden.
7.1 Bemerkung.
Keine Lösung von
liegt in
.
Beweis. Angenommen eine Lösung, die wir mit bezeichnen, liegt in . Dann ist und somit , ein Widerspruch zu (2.6). []
7.2 Definition. Körper der komplexen Zahlen.
Wir betrachten folglich eine virtuelle Lösung
(die sogenannte imaginäre
Einheit) von
und versuchen damit herumzurechnen. Insbesonders sollten wir reelle Zahlen
hinzuaddieren und hinzumultiplizieren können, also Ausdrücke der Form
bilden können.
Da das kommutativ- und das distributiv-Gesetz auch hier gelten sollte
ergibt sich
und | ||
Die Addition von komplexen Zahlen als Punkten in der Ebene entspricht somit der Addition der (Orts)vektoren. Also ist die Addition mit einer fixen komplexen Zahl die Translation um den Vektor mit Koordinaten .
Um auch die Multiplikation mit komplexen Zahlen geometrisch zu beschreiben benötigen wir Polarkoordinaten, d.h. wir legen Punkte nun durch den Abstand vom 0-Punkt und den Winkel von der -Achse zum Ortsvektor fest. Die kartesischen Koordinaten eines Punktes erhalten wird dann wie folgt aus den Polarkoordinaten:
Die Multiplikation mit einer komplexen Zahl mit Polarkoordinaten ist nun gerade die Drehstreckung um den Winkel und den Streckungsfaktor , d.h. Ein Punkt mit Polarkoordinaten wird durch Multiplikation mit auf den Punkt mit Polarkoordinaten abgebildet.
Rechnet man obige Beschreibung der Multiplikation komplexer Zahlen von Polarkoordinaten auf kartesische Koordinaten um so erhält man:
Der Körper kann aber leider nicht mehr angeordnet werden, denn in jedem angeordneten Körper gilt für alle und somit wäre . Dann wäre aber nach (2.6) ein Widerspruch.
7.7 Folgerung. Formel von Moivre.
Für
und
ist
.
Beweis. Dies folgt sofort durch Induktion aus der Darstellung der Multiplikation in Polarkoordinaten. []
7.8 Folgerung. Wurzeln komplexer Zahlen.
Es gibt genau
-te Wurzeln jeder komplexen Zahl
nämlich
für
.
Beweis. Die Lösungen der Gleichung
Z.B. erhält man die 3-ten Einheitswurzeln, d.h. komplexen Zahlen mit als
7.3 Lemma. Quadratische Gleichung.
Die (möglicherweise komplexen)
Lösungen der quadratischen Gleichung
Beweis. Wir können die Gleichung wie folgt umformen:
7.4 Bemerkung.
Es gibt die Cardano'schen Formeln für Lösungen
polynomiale Gleichungen 3. und 4. Ordnung.
Gleichungen höherer Ordnung lassen sich im Allgemeinen nicht mehr mittels Wurzelziehen auflösen. Jedoch gilt der
7.5 Fundamentalsatz der Algebra.
Jedes nicht-konstante Polynom
besitzt eine Nullstelle in
. Man sagt dafür auch,
ist algebraisch abgeschlossen.
Ein Beweis wäre an dieser Stelle nur sehr aufwendig zu führen.
7.6 Folgerung. Zerlegung in linear-Faktoren.
Jedes Polynom
in
läßt sich wie folgt
in linear-Faktoren zerlegen:
Beweis. Wir machen Induktion nach . Nach dem Fundamentalsatz (7.5) existiert eine Nullstelle von und nach (4.13) ist für ein Polynom vom Grad und höchsten Koeffizienten . Nach Induktionsannahme ist , wobei die Nullstellen von und somit auch welche von sind. []
Beispiel.
Es sei
. Dann ist offensichtlich
eine Nullstelle und
somit können wir (mittels Hornerschema)
durch
dividieren
und erhalten
.
Die Nullstellen von
sind wegen (7.3) durch
Bemerkung.
Komplexe Funktionen
, wie z.B. Polynome
,
sind nach Definition Teilmengen von
und somit
schwer zu visualisieren.
Am besten ist wohl Definitionsbereich
und Wertebereich
getrennt
zu zeichnen, und die Funkion
dadurch anzudeuten, daß man
gewisse Linien (wie z.B. konzentrische Kreise und Halbstrahlen durch 0)
im Definitionsbereich und deren Bilder unter
im Wertebereich
einzeichnet.
Für die Funktion
gibt dies z.B.
Es wird also die Ebene zweimal um den Nullpunkt herumgewickelt, und der Abstand der Punkte zum Nullpunkt dabei quadriert.
Diese Darstellung wird allerdings schnell kompliziert, denn z.B. für sieht sie so aus:
Eine andere Möglichkeit ist den Realteil und getrennt davon den Imaginärteil als Funktionen von und somit als Gebirge über der Ebene zu zeichnen. Für sieht das wie folgt aus:
Resumeé
Wir haben nun alle wichtigen Zahlenbereiche durchbesprochen.
Es ist allerdings letztlich nicht so entscheidend was die Zahlen sind sondern
was sie können, d.h. daß wir
den vollständig angeordneten Körper
und den algebraische abgeschlossenen
Körper
erhalten haben mit allen Konsequenzen die sich daraus ergeben.
Somit können wir frei nach Wittgenstein ``die Leiter wegwerfen, nachdem wir mit
ihrer Hilfe hinaufgestiegen sind''.
Wir sollten allerdings nicht alles von unterwegs vergessen, denn einerseits haben wir ``mathematics at work'' gesehen. Z.B. wie man durch Mengentheoretische Konstruktionen, Lösungen die von vornherein nicht existieren so beschreiben und auf ein gesichertes Fundament stellen kann, daß man wie gewünscht mit ihnen rechnen kann: Beim Übergang von zu waren die Elemente des kartesischen Produkts also Paare, von zu waren es Dedekind'sche Schnitte (also Elemente der Potenzmenge , von zu waren es Äquivalenzklassen von Paaren in und von zu Äquivalenzklassen von Paaren in . Gleichzeitig haben wir erkannt, daß Computer üblicherweise mit anderen Zahlen (nämlich Restklassen modulo , oder ähnlichen) also in rechnen. Wir haben dabei auch kennengelernt, wie man mathematische Beweise führen kann, insbesonders die Methode des indirekten Beweises und der vollständigen Induktion. Weiters haben wir erste Einblicke in die Gebiete der Algebra (Gruppe, Ring, Körper, etc.), der Kombinatorik (Permutation, Variation, Kombination, etc.), der Zahlentheorie (Teilbarkeit, Primzahlen, ggT, etc.), der Wahrscheinlichkeitstheorie, dem Rechnen mit Polynomen erhalten sowie Verfahren (Algorithmen) wie man dies auch am Computer umsetzen kann.
Andreas Kriegl 2002-02-01