15.5.1 Definition. Konvergenz von Reihen.
Unter einer Reihe verstehen wir einen Ausdruck der Form
.
Ein Reihe
heißt konvergent gegen
, wenn die Folge
der Partialsummen
gegen
konvergiert. Man schreibt dann auch
für diesen Grenzwert
.
15.5.2 Definition. Uneigentliche Konvergenz von Reihen.
Wie für Folgen können wir auch bei Reihen von der uneigentlichen Konvergenz gegen
oder
sprechen.
15.5.3 Bemerkung. Reihen versus Folgen.
Jede Reihe
wird also durch die Folge ihrer Partialsummen
beschrieben. Umgekehrt definiert jede Folge
eine Reihe
durch
wobei wir
gesetzt haben, deren
Partialsummen gerade die gegebene Folge
sind.
Reihen sind also nur eine andere Schreibweise für Folgen , wobei man die Betonung auf den Zuwachs von einem Folgenglied auf das nächste legt.
Beachte, daß es für die Konvergenzbetrachtung keine Rolle spielt, ob wir die Partialsummen als oder für ein fixes als definieren, denn , wobei . Für die entsprechenden Grenzwerte gilt offensichtlich
15.5.4 Lemma. Geometrische Reihe.
Es konvergiert die geometrische
Reihe
genau dann, wenn
. Ihr Grenzwert ist
.
Beweis. Wegen der Summenformel ist für und somit genau dann konvergent, wenn . Im Fall ist divergent. []
15.5.5 Beispiel. Exponentialreihe und Euler'sche Zahl .
Die Reihe
ist konvergent.
Offensichtlich ist die Folge der Partialsummen
monoton wachsend. Sie ist aber auch nach oben beschränkt, denn (siehe
(15.5.9))
Weiters ist für
15.5.6 Lemma. Cauchy-Kriterium für Reihen.
Eine Reihe
konvergiert genau dann, wenn
für
Vgl. dies mit (15.4.4) für Folgen.
Beweis. Nach Definition ist genau dann konvergent, wenn die Folge der Partialsummen konvergiert, oder äquivalent eine Cauchy-Folge ist, d.h.
15.5.7 Definition. Absolute Konvergenz.
Eine Reihe
heißt absolut konvergent, wenn
die Reihe
ihrer absolut-Beträge konvergiert. Da die Partialsummen
von
monoton wachsend ist dies nach der Proposition (15.3.10) über
monotone Konvergenz genau dann der Fall, wenn (die Folge der Partialsummen) von
beschränkt ist.
Beachte, daß der Unterschied zwischen Konvergenz und absoluter Konvergenz nur im Unterschied zwischen und liegt.
15.5.8 Lemma.
Es sei
absolut konvergent. Dann ist
auch konvergent.
Beweis. Die Cauchy-Bedingung ist wegen erfüllt. []
Nun können wir die wichtigsten Methoden zur Konvergenzbestimmung von Reihen behandeln.
15.5.9 Proposition. Vergleichskriterium.
Es seien
und
zwei Reihen mit
für (fast alle)
Man sagt in dieser Situation, daß eine Minorante von und umgekehrt eine Majorante von ist.
Beweis. Es ist . []
15.5.10 Proposition. Wurzelkriterium.
Falls
beschränkt ist und
ist, d.h.
ein
existiert mit
für fast alle
, so ist
absolut konvergent.
Ist
für unendlich viele
, so ist die Reihe divergent.
Beweis. Aus folgt, daß eine nach (15.5.4) (konvergente) Majorante von ist, also letztere Reihe nach dem Vergleichskriterium (15.5.9) konvergiert.
Ist unendlich oft, so konvergiert nicht gegen 0, also ist nicht konvergent. []
15.5.11 Proposition. Quotientenkriterium.
Falls
beschränkt ist und
ist, d.h.
ein
existiert mit
für fast alle
, so ist
absolut konvergent.
Ist jedoch fast immer so ist die Reihe divergent.
Beweis. Es ist
Andererseits folgt aus , daß keine Nullfolge sein kann. []
15.5.12 Proposition. Leibniz-Kriterium.
Es sei
monoton fallend. Dann ist
genau dann
konvergent, wenn
ist.
Beweis. Es ist nur dann konvergent, wenn .
Umgekehrt erhalten wir
15.5.13 Beispiele.
In den Anfängen der Analysis hatten die Mathematiker unbekümmert Reihen umgeordnet.
Das Beispiel
Ein noch raffinierteres Beispiel ist das folgende: Es sei . Dann ist , wobei und sei. Die Reihe hat also als Summe . Diese Reihe ist aber
15.5.14 Definition. Unbedingte Konvergenz.
Eine Reihe
heißt unbedingt konvergent, wenn jede ihrer
Umordnungen
konvergiert (und zwar immer gegen den selben Grenzwert).
Dabei wird eine Umordnung durch eine bijektive Abbildung
beschrieben.
15.5.15 Riemann'scher Umordnungssatz.
Eine Reihe ist genau dann absolut konvergent, wenn sie unbedingt konvergiert.
Beweis. Sei zuerst absolut konvergent mit Partialsummen . Es sei ein Umordnung mit Partialsummen . Wegen dem Cauchy-Kriterium existiert zu ein mit . Nun wählen wir ein mit für alle . Dann ist , also ist die umgeordnete Reihe nach dem Cauchy-Kriterium absolut konvergent.
Umgekehrt sei nun zwar konvergent aber nicht absolut konvergent (und o.B.d.A. für alle ). Wir zerlegen mit . Dann ist . Beide Reihen müssen gegen divergieren, denn sonst wäre auch die andere konvergent. Mit und bezeichnen wir die Reihen die daraus durch Streichen aller 0-er entstehen. Wir wählen nun rekursive Indizes mit
Mit absolut konvergenten Reihen kann man recht ungestraft rechnen, wie folgende Resultate zeigen.
15.5.16 Lemma. Rechnen mit absolut konvergenten Reihen.
Falls
und
absolut konvergieren, so auch
.
Ist
absolut konvergent und
beschränkt, so ist
auch
absolut konvergent.
Der 2.Teil stimmt nicht für konvergente Reihen wie das Beispiel und zeigt.
Beweis. Der 1.Teil folgt sofort aus .
Der 2.Teil mittels (15.3.10) aus . []
15.5.17 Proposition. Cauchy-Produkt.
Sind die Reihen
und
absolut konvergent so auch
das Cauchy-Produkt
.
Beweis. Es ist
Auch für Produkte können wir unendliche Versionen behandeln. Diese spielen aber keine so entscheidende Rolle.
15.5.19 Definition. Konvergente Produkte.
Eine Produkt
heißt konvergent, wenn die Folge der Partialprodukte
konvergiert.
Andreas Kriegl 2002-07-01