Aus dem Paradies [die Mengenlehre], das Cantor uns geschaffen hat, soll uns niemand mehr vertreiben können.Poincaré:
Spätere Generationen werden die Mengenlehre als Krankheit ansehen, die man überwunden hat.
In diesem ersten Abschnitt befassen wir uns mit der Sprache der Mathematik. Die natürlichen Sprachen wie deutsch, englisch, etc. mangelt es leider an der nötigen Präzision, insbesonders dann, wenn es darum geht unendliche Objekte und Prozesse zu beschreiben. Um die dadurch entstehenden Vieldeutigkeiten zu vermeiden wurde von Georg Cantor die Mengenlehre entwickelt.
1.1 Definition.
Unter einer Menge verstehen wir wie Cantor
eine Zusammenfassung wohlunterschiedener
Objekte unserer Anschauung oder unseres Denkens zu einem neuen Ganzen.
Es muß dabei im Prinzip feststellbar sein, ob ein gegebenes Objekt zur Menge
gehört oder nicht. Jene Objekte die zur Menge gehören heißen
Elemente der Menge.
Wenn eine Menge und ein Objekt ist, dann schreiben wir
falls ein Element der Menge ist und
andernfalls.
Dies folgt der allgemeinen Methode in der Mathematik
die Negation einer Beziehung zweier Objekte durch Durchstreichen
des Relationssymbols zu bezeichnen, also
bedeutet es ist nicht ,
sowie bedeutet ist ungleich (nicht gleich)
und bedeutet, daß nicht kleiner als ist.
Wir haben zwei Möglichkeiten Mengen zu beschreiben:
Insbesonders nennt man die Menge die kein einziges Element hat die leere Menge. Beschreibend kann man sie auch durch Angabe einer Eigenschaft die für kein erfüllt ist, wie z.B. angeben, d.h. .
Ein analoger Ausdruck, nämlich führt allerdings auf einen fatalen Widerspruch, denn die Untersuchung der Frage ``Ist ein Element von sich selbst oder nicht?'' kann nur eine der beiden Antworten: oder haben. Im ersten Fall muß also die definierende Eigenschaft von besitzen, also erfüllen im Widerspruch zur Annahme. Im anderen Fall darf die definierende Eigenschaft von nicht besitzen, es darf also nicht gelten, und (wegen dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten) muß gelten, ebenfalls ein Widerspruch zur Annahme.
Auswege aus dem Widerspruch, den die Russel'sche Menge liefert, wurden viele ersonnen. Grundidee dabei ist nicht alle Konstruktionen von Mengen zuzulassen.
Die erste recht technische und heute überholte Methode wurde von Russel und Whitehead in der Principia Mathematica präsentiert und bestand darin Buchzuführen wie tief verschachtelt die Mengenklammern einer Menge sind und jeweils nur solche eine Elemente einer Menge von Tiefe zuzulassen, die selbst Tiefe haben. Dies ist aber sehr umständlich, und wollen wir ``Buchhaltern'' überlassen.
Zermelo, Fraenkel und Skolem sind ihrerseits so vorgegangen, daß nur mehr ganz bestimmte Konstruktionen, die wir in der Folge alle besprechen werden (wie z.B. Potenzmenge, Vereinigung, Durschnitt, etc.), verwendet werden dürfen um aus gegebenen Mengen neue zu definieren.
Eleganter ist der Zugang von Gödel, Bernays und Neumann, die in der Beschreibung hat die Eigenschaft wieder alle Eigenschaften zulassen, aber die so erhaltenen Objekte nun Klassen oder Unmengen nennen, und nur deren Elemente als Mengen bezeichnen. Ein Menge in ihren Sinn ist also eine Klasse, die in mindestens einer Klasse als Element enthalten ist.
Morse, Kelley und Tarski haben dies noch insofern modifiziert, daß die Einschränkung, daß alle Variablen in den bei der Klassenbildung betrachteten Aussagen nur Mengen durchlaufen dürfen, fallengelassen wurde. Für genauere Details dazu sei auf eine Vorlesung über Mengenlehre oder entsprechende Bücher verwiesen.
Zwei Mengen und sind genau dann gleich, wenn sie genau die selben Elemente besitzen, d.h. jedes beliebige Objekt genau dann zu gehört, wenn es zu gehört. Um dies kürzer symbolisieren zu können schreiben wir ``'' statt ``für alle''. Und wenn eine Aussage genau dann wahr ist wenn es eine Aussage ist, so schreiben wir und sagen dafür ist äquivalent zu . Wir können aus den Wahrheitswerten TRUE und FALSE der beiden Teilaussagen und jene der (logischen) Äquivalenz bestimmen:
TRUE | TRUE | TRUE |
FALSE | FALSE | TRUE |
FALSE | TRUE | FALSE |
TRUE | FALSE | FALSE |
Wenn schlußendlich ``:'' als ``(für die) gilt'' gelesen wird, dann
sind zwei Mengen und genau dann gleich
(d.h. ) wenn
,
also
Eine schwächere Möglichkeit Mengen miteinander zu vergleichen ist folgende: Eine Menge heißt Teilmenge einer Menge (und wir schreiben dann , oder sagen auch ist Obermenge von ), genau dann, wenn jedes Element von auch Element von ist. Wenn eine Aussage eine Aussage zur Folge hat, so schreibt man für diesen Sachverhalt und sagt auch impliziert . Es ist also selbst eine Aussage, die nur dann falsch sein kann, wenn zwar erfüllt ist, nicht aber . Die Wahrheitstafel für `` '' ist somit die folgende:
TRUE | TRUE | TRUE |
FALSE | FALSE | TRUE |
FALSE | TRUE | TRUE |
TRUE | FALSE | FALSE |
Beachte, daß genau dann gilt, wenn sowohl als auch (auch als geschrieben) gilt, d.h. die beiden Aussagen und sich gegenseitig implizieren.
Wir können obige Definition nun kurz wie folgt schreiben:
Graphisch können wir das durch folgendes sogenanntes Venn-Diagramm veranschaulichen:
Beachte, daß analog zu bei Zahlen für alle Mengen die Aussage gilt. Will man nur echte Teilmengen betrachten, d.h. welche erfüllen, so schreiben wir dafür (und sagt ist eine echte Teilmenge von ), d.h.
Für das Teilmengesein wird oft auch das Symbol anstelle von verwendet, da diese Situation in der Mathematik viel öfter auftaucht als jene der echten Teilmenge (für die man dann allerdings soetwas schreckliches wie B oder schreiben muß). Da man bei Zahlen in der entsprechenden Situation aber auch und nicht schreibt, will ich nicht so schreibfaul sein.
Offensichtlich ist und . Diese Eigenschaft von heißt Antisymmetrie.
Weiters folgt aus und die Aussage . Mann nennt diese Eigenschaft die Transitivität von .
Natürlich können Mengen selbst wieder Elemente einer Menge sein. Z.B. können wir die Menge aller Teilmengen einer Menge betrachten, also
d.h. | ||
und | ||
Beachte, daß sehr deutlich zu unterscheiden ist zwischen , und . Wenn , , bezeichnet (Wer meint schon zu wissen, was die Zahlen sind, der möge andere Symbole für die 3 eben definierten Mengen verwenden), so ist
1.2 Definition. Mengenoperationen.
Aus je zwei Mengen und können wir neue Mengen bilden:
Der Durchschnitt von und ist die Menge aller Objekte die sowohl
Elemente von als auch von sind.
Salopp könnte man auch sagen: Der Durchschnitt besteht aus den Elementen die
in beiden Mengen liegen. Dies könnte allerdings zu Verwechslung mit der
weiter unten definierten Vereinigungsmenge führen, z.B.
wenn wir die Menge aller Studentinnen, die in beide parallel-Klassen gehen,
betrachten.
Wenn und zwei Aussagen sind, dann bezeichnet man mit `` '' oder die Aussage, daß beide Aussagen zutreffen. In vielen Computersprachen wird `&&' anstelle des auf der Tastatur nicht vorhandenen verwendet. Man ließt dies als `` und ''. Die Wahrheitstafel des (logischen) Unds ist also folgende:
TRUE | TRUE | TRUE |
FALSE | FALSE | FALSE |
FALSE | TRUE | FALSE |
TRUE | FALSE | FALSE |
Es ist also
Dies kan man durch ein Venn-Diagramm veranschaulichen:
Man sagt zwei Mengen und seien Element-fremd oder auch disjunkt, wenn , d.h. sie kein einziges gemeinsames Element besitzen.
Beachte, daß die größte gemeinsame Teilmenge von und ist, siehe auch (1.5).
Beweis. Offensichtlich ist und , denn aus folgt und es folgt .
Sei nun eine weitere gemeinsame Teilmenge von und . Dann ist (also die größte gemeinsame Teilmenge), denn aus folgt und also und somit . []
Es ist .
Beweis. Aus folgt, daß . Und wegen gilt Gleichheit.
Die Vereinigung von und ist die Menge aller Objekte die Element mindestens einer der beiden Mengen bzw. sind. Wenn und zwei Aussagen sind, dann bezeichnet man mit die Aussage, daß zumindestens eine der beiden Aussagen zutrifft. In vielen Computersprachen wird anstelle von . Man liest dies als `` oder '', muß dabei aber beachten, daß dies ein nicht ausschließendes oder ist, also auch den Fall, daß und gelten, inkludiert. Interpretiere z.B. den Satz `Jack liebt Jill oder (Jack liebt) Jane''. D.h. die Wahrheitstafel des (logischen) Oders ist folgende:
TRUE | TRUE | TRUE |
FALSE | FALSE | FALSE |
FALSE | TRUE | TRUE |
TRUE | FALSE | TRUE |
Es ist also
Auch dies kan man durch ein Venn-Diagramm veranschaulichen:
Wir wollen nun die wichtigsten Rechenregeln für Durchschnitt und Vereinigung aufstellen:
1.3 Lemma.
Es seien
,
und
Mengen.
Dann gilt:
Kommutativität besagt also, daß wir bei der Durchschnitts- und Vereinigungsbildung die beiden Mengen miteinander vertauschen dürfen.
Assoziativität besagt also, daß es ist egal ist, wie wir bei mehrfachen Vereinigungen oder mehrfachen Durchschnitten Klammern setzen (in welcher Reihenfolge wir sie also ausrechnen), und wir können sie auch ganz weglassen, also oder schreiben, ohne irgendwelche Mißverständnisse zu provozieren.
Distributivität zeigt, daß wenn sich Durchschnitts- und Vereinigungsbildung abwechseln, so darf man nicht mehr Klammern vertauschen, aber kann ``hineinmultiplizieren''. Vergleiche dies mit dem Distributivgesetz für das Rechnen mit Zahlen: aber nicht .
Beweis. Wir geben verschiedene Beweise für das Distributivitätsgesetz , die anderen Gesetze lassen sich ähnlich aber einfacher beweisen:
und | ||
und oder | ||
und oder und | ||
oder | ||
1.4 Definition.
Wenn man anstelle zweier Mengen
und
endlich viele Mengen
,
, ...,
gegeben hat, so kann
man rekursiv (siehe (3.4)) Durchschnitt und Vereinigung als
Man schreibt kürzer und eindeutiger unter Vermeidung von `` '' auch bzw. für diese Mengen und liest dies als ``Durchschnitt/Vereinigung für gleich 1 bis der unten ''.
Will man das nun auf unendlich viele Mengen übertragen, also den Durchschnitt oder die Vereinigung einer beliebigen Menge von Mengen definieren, dann sollte wohl der Durchschnitt die Menge all jener Objekte sein, die gleichzeitig in jeder der Mengen als Element enthalten sind, d.h.
und |
Wenn eine Eigenschaft für Mengen ist, so benutzt man auch die Schreibweise
besitzt die Eigenschaft | ||
besitzt die Eigenschaft |
Wie für zweifache Vereinigung und Durchschnitt erhalten wir auch in dieser allgemeinen Situation:
1.5 Lemma.
Es sei
eine nicht-leere Menge von Mengen.
Dann ist
die kleinste (im Sinne von ``Teilmenge sein'') Menge,
die alle
als Teilmengen enthält.
Ebenso ist
die größte (im Sinne von ``Teilmenge sein'') Menge,
die in allen
enthalten ist.
Beweis. Für jedes gilt , denn aus folgt nach Definition : . Und aus folgt ebenso nach Definition .
Sei nun eine Menge mit für alle . Dann ist , denn aus folgt mit und wegen ist somit .
Sei andererseits eine Menge mit für alle . Dann ist , denn aus folgt für alle , also .
[]
1.6 Definition.
Unter der Differenzmenge
zweier Mengen
und
(man sagt dafür auch:
vermindert um
)
versteht man die Menge aller Objekte
die zwar Elemente von
nicht aber von
sind, d.h.
Das entsprechenden Venn-Diagramm ist:
Wenn die Menge klar ist, d.h. sich alles in einer fixen Grundmenge abspielt, dann schreibt man auch kürzer für und nennt dies das Komplement von (in ).
1.7 Proposition.
Sei
eine Menge von Mengen
und
eine weitere Menge.
Dann gelten:
Eine verbale Formulierung des links stehenden distributiv-Gesetzes ist: Ein Objekt liegt genau dann in und in mindestens einem , wenn es sowohl in als auch in für mindestens ein liegt. Für das rechts stehende ist eine solche: Ein Objekt liegt genau dann in allen oder in , wenn es für jedes in oder in liegt.
Eine graphische Darstellung der De Morgan'schen Gesetze ist:
Eine verbale Formulierung ist: Ein Objekt ist genau dann kein Element der Vereinigung, wenn es in keinen der liegt. Und ein Objekt ist genau dann kein Element des Durchschnitts, wenn es in einen der nicht enthalten ist.
Beweis. Es gilt:
und | ||
und | ||
und | ||
Um Beziehungen zwischen Objekten behandeln zu können, benötigen wir eine Möglichkeit diese paarweise zusammenzufassen. Natürlich könnten wir zu und die Menge betrachten. Wegen ist das aber für Vergleiche nicht geeignet, und wir brauchen den Begriff des geordneten Paares , der gewährleistet, daß
Um also z.B. die Beziehung des Elternseins zu beschreiben müßte man eine Tabelle, wo für jeden Menschen seine Eltern angeführt sind, aufstellen, oder eine solche, wo für jeden Menschen alle seine Kinder angeführt sind, oder für je zwei Menschen und angeben, ob ein Kind von (bzw. ein Elternteil von ) ist. D.h. in sind alle Punkte entsprechend mit den Werten TRUE oder FALSE zu belegen. Es genügt natürlich dabei alle mit den Wert TRUE anzugeben, also eine Teilmenge von auszuzeichnen. Dies führt zu folgender
1.8 Definition.
Eine Relation
auf
ist eine Teilmenge von
.
Man schreibt kürzer
anstelle von
, und sagt dafür
steht in Relation
zu
.
Ist
so spricht man kürzer (aber nicht ganz sauber)
von einer Relation auf .
Z.B. haben wir die Relationen , , , , , für Mengen, also auch auf der Potenzmenge jeder fix vorgegebenen Menge .
Wir können eine Relation auch mittels gerichteten Graph veranschaulichen, z.B. für die Teilmengenrelation auf wobei wir Pfeile die sich aus der Reflexivität ergeben nicht eingezeichnet sind:
Auf folgende wichtige Eigenschaften können wir Relationen auf untersuchen
Eine Relation heißt Äquivalenzrelation, wenn sie alle diese 3 Eigenschaften besitzt. Man schreibt dann oft anstelle von , beziehungsweise versieht noch mit einen Index, wenn man mehrere Relationen gleichzeitig betrachtet. Es ist z.B. die Gleichheit `=' von Mengen eine Äquivalenzrelation. Beachte jedoch das in vielen Computersprachen Befehle wie verwendet werden. Dort wird das Symbol `=' nicht für die logische Gleichheit der linken mit der rechten Seite verwendet, sondern so aufgefaßt, daß der linken Seite (wo nur eine Variable stehen darf) der Wert der rechten Seite zugeordnet wird. Es ist also in der Informatik ein wesentlicher Unterschied zwischen und . Als Symbol für Gleichheit wird in diesen Sprachen zumeist `==' verwendet.
Äquivalenzrelationen sind zumeist dadurch gegeben, daß man Objekte äquivalent nennt, wenn sie eine gewisse Eigenschaft gemein haben. Z.B. ist für die Relation ``gleicher Rest bei Division durch '' also teilt , d.h. : , eine Äquivalenzrelation auf . Ebenso sind ``gleicher Geburtstag'', ``gleiches Sternzeichen'', ``gleich viele Kinder'', ``gleiches Gewicht'', ``gleicher Vornamen'', ``in die gleiche Klasse gehen'' u.s.w. Äquivalenzrelationen auf der Menge aller Menschen.
Beim letzten Beispiel, der in gleiche Klassen gehenden Schüler einer Schule, steckt offensichtlich dahinter, daß die Schule (oder auch deren Schüler) in Klassen eingeteilt sind. Wir wollen eine analoge Beschreibung nun für jede Äquivalenzrelation auf Mengen erhalten. Dazu bezeichnen wir Mengen , die bezüglich `` '' so groß wie möglich (man sagt maximal) unter allen Teilmengen sind welche nur paarweise äquivalente Elemente enthalten, als Äquivalenzklassen der Äquivalenzrelation . Wir verwenden dabei die Sprechweise ``paarweise äquivalenter'' anstelle ``äquivalenter'' Elemente, denn wir können ja jeweils nur 2 Elemente miteinander vergleichen um ihre Äquivalenz zu überprüfen und nicht alle Elemente der Menge auf einmal. Wir können auch nicht von der größten Teilmenge mit obiger Eigenschaft sprechen, denn man denke nur an die Klassen einer Schule, welche mehrere maximale Mengen mit obiger Eigenschaft sind.
Wie kann man nun Äquivalenzklassen finden? Man beginnt mit einen Element und betrachtet die Menge
Diese Menge besteht offensichtlich aus paarweise äquivalenten Elementen, denn wegen der Transitivität und Symmetrie sind je zwei Elemente zueinander äquivalent. Es kann auch keine echte Obermenge mit dieser Eigenschaft geben, denn deren Elemente müßten dann zu äquivalent sein. Also ist eine Äquivalenzklasse von , die einzige Klasse in der als Element liegt, die sogenannte von erzeugte Äquivalenzklasse.
Umgekehrt ist jede Äquivalenzklasse von dieser Form, denn kann nicht leer sein, andernfalls wählen wir irgend ein und erhalten eine größere Menge , einen Widerspruch zur Maximalität. Somit existiert ein und wir wählen ein solches. Dann ist , da jedes zu äquivalent ist und wegen der Maximalität von ist .
Es ist also gerade die Menge aller Äquivalenzklassen von .
Die Äquivalenzklassen zur Teilbarkeit durch heißen Restklassen modulo , und man schreibt für die Menge der Restklassen ganzer Zahlen modulo .
Beachte, daß sich hier unsere Vereinbarung, daß in der aufzählenden Beschreibung einer Menge gleiche Elemente mehrfach auftreten dürfen bezahlt macht, denn z.B. ist , denn als Reste bei Division durch 2 kann ja nur 0 und auftreten.
1.9 Definition.
Eine Klasseneinteilung
einer Menge
ist eine Menge
von nicht-leeren Teilmengen
die paarweise disjunkt sind
(d.h.
mit
)
und deren Vereinigung
ist, d.h.
.
1.10 Proposition.
Es sei
eine nicht-leere Menge.
Dann entsprechen den Äquivalenzrelation
auf
genau den Klasseneinteilungen
von
.
Beweis. ( ) Sei eine Äquivalenzrelation auf . Die Menge aller Äquivalenzklassen von ist dann eine Klasseneinteilung von : Offensichtlich ist , also .
Sei weiters und . Dann ist nach obigen.
(
)
Umgekehrt sei
eine Klasseneinteilung von
.
Wir definieren
:
.
Dies beschreibt eine Äquivalenzrelation
auf
:
Die Relation ist reflexiv, denn für
existiert
eine
mit
, also
.
Sie ist offensichtlich symmetrisch. Nun zur Transitivität. Sei
, d.h.
mit
,
. Also ist
und somit
, d.h.
, also
.
Bleibt zu zeigen, daß das hin und her zwischen Äquivalenzrelationen und Klasseneinteilungen zusammenpaßt.
Sei also
die Menge der Äquivalenzklassen einer Äquivalenzrelation
und
die aus
gewonnene Äquivalenzrelation.
Wir behaupten, daß diese mit der ursprünglichen übereinstimmt.
Wir müssen also
zeigen.
Sei zuerst
, dann liegt
, also ist
auch
nach Definition.
Umgekehrt sei
, d.h. es existiert ein
mit
. Da
aber aus bezüglich
paarweise äquivalenten
Elementen
bestehen muß, ist
.
Sei nun andererseits
irgend eine Klasseneinteilung von
und
die zugehörige Äquivalenzrelation, d.h.
.
Wir müssen zeigen, daß
gerade aus den Äquivalenzklassen
von
besteht.
Es ist
, denn für
ist
, also existiert ein
mit
. Verschiedene
liefern das gleiche
, denn die
sind nach Voraussetzung paarweise disjunkt.
Also ist
. Sei umgekehrt
. Dann ist
,
also
und damit
.
Sei nun
. Nach Voraussetzung ist
, also können
wir ein
wählen. Dann ist aber wie zuvor
, denn
impliziert
und somit
. Wegen der paarweisen Disjunktheit ist somit
.
[]
1.11 Definition. Ordnungsrelationen.
Eine weitere wichtige Eigenschaft, auf die wir Relationen
auf einer Menge
untersuchen können,
ist die
Antisymmetrie, d.h.
:
.
Eine Relation die reflexiv, antisymmetrisch und transitiv ist heißt Ordnungsrelation (oder auch partielle Ordnung).
Ein Beispiel dafür ist die Relation für Mengen.
Gilt zusätzlich die Dichothomie , d.h. je zwei Elemente sind miteinander vergleichbar, so heißt die Ordnung linear oder auch totale Ordnung.
Ein Beispiel dafür ist die Relation für Zahlen.
Mittels solcher Relationen, können wir die Elemente einer Menge in eine Reihenfolge bringen.
Ordnungsrelationen auf einer endlichen Menge können wir mittels sogenannten Hasse-Diagramm veranschaulichen, wobei größere Elemente weiter oben stehen und Verbindungen die sich aus Reflexivität oder Transitivität ergeben nicht eingezeichnet werden. Z.B. für die Teilmengenrelation auf :
1.12 Definition. Funktionen.
Unter einer Abbildung (oder Funktion)
von
nach
(man schreibt
und nennt
den
Definitionsbereich und
den Wertebereich von
)
versteht man eine Relation
mit der Eigenschaft, daß
für jedes
genau ein
existiert mit
(und man schreibt dann
für dieses
oder auch
und
nennt es den Funktionswert von
bezüglich der Funktion
).
Wir können uns eine Abbildung
als Programm (oder besser als eine
blackbox)
vorstellen, welches für jeden Input
einen wohldefinierten
Output
liefert.
Wir schreiben für die Menge aller Abbildungen . Die Motivation für diese Bezeichnungsweise ist, daß für endliches und gilt, siehe (3.23).
Für Abbildungen und und ist das Bild von unter definiert durch
und das Urbild von unter definiert durch .
Man kann Abbildungen und zusammensetzen zu einer Abbildung , die definiert ist durch . Lies dies als ``g ring f'' oder ``g zusammengesetzt mit f''. Als Teilmenge bedeutet dies
Wichtige Eigenschaften, auf die hin man Abbildungen untersuchen kann, sind:
Beispiel.
Wir betrachten die Funktion
als Funktion zwischen folgenden Mengen
wobei
bezeichnet:
1.13 Bemerkung.
Die Notation
für die Zusammensetzung von
mit
ist keineswegs glücklich gewählt, denn dabei wirkt ja zuerst
und dann
auf einen Input
.
Würde man hier allerdings die Reihenfolge umdrehen, so
wäre es wegen der definierenden Formel
zweckmäßig auch die rechte Seite besser als
zu schreiben, d.h.
den Wert von
bzgl. der Abbildung
als
und nicht
.
Dies würde auch durchwegs der Idee entsprechen, daß
ja
genommen wird und darauf dann die Vorschrift
angewandt wird,
was auch der Schreibweise
entspricht.
Die Definition der Zusammensetzung wäre dann
.
Allerdings ist dies fast allen MathematikerInnen doch eine zu radikale
Veränderung alteingessener Bezeichnungsweisen und es würde zweifellos
zu einem heillosen Durcheinander kommen, würden diese Bezeichnungsweise
gleichzeitig verwendet werden. Im Sinne der kulturellen Vielfalt
können wir wohl durchaus damit leben, daß Teile unserer Notation
halt nicht europäisch von links nach rechts laufend geschrieben werden.
Anhand vieler Beweise werden wir sowieso zum Schluß kommen, daß Mathematik
nicht linear von sich geht. In diesem Sinn
werden wir viele Relationssymbole in allen möglichen Orientierungen schreiben,
wie z.B.
Auch die Bezeichnung für die Bildmenge und für Urbildmenge ist mit Vorsicht zu geniesen, denn wenn eine Abbildung ist dann kann für eine Teilmenge gleichzeitig auch gelten und somit kann die Bildmenge und der Funktionswert etwas ganz verschiedenes sein. Wenn man dazuschreibt, ob man oder betrachtet, so ist allerdings eine Mißverständnis ausgeschlossen.
Die grundlegenden Eigenschaften von Bild und Urbild faßt folgende Proposition zusammen:
1.14 Proposition.
Es sei
eine Abbildung,
,
,
und
. Dann gilt:
Visualisieren kann man diese Aussagen folgendermaßen:
Verbale Formulierungen sind z.B.:
Beweis. (0)
(1) nach (0), da .
(2) Sei , , d.h. . Somit ist und damit .
(3)
und | ||
(4)
und | ||
und | ||
(5')
nicht | ||
nicht | ||
Beachte, daß in (3) nicht Gleichheit gilt: Es sei die Funktion , und . Dann ist , aber und somit auch .
Der Grund warum der Beweis für Gleichheit nicht funktioniert ist, daß zwar ``es gibt ein , sodaß für alle eine Aussage gilt'' zur Folge hat, daß ``für jedes ein existiert, sodaß dieselbe Aussage gilt'' jedoch nicht umgekehrt. Man vergleiche z.B. ``Jeder Mensch besitzt eine Mutter'' mit ``Es gibt eine Frau die Mutter von jedem Menschen ist''. Oder auch ``jeder wird von jemanden geliebt'' im Gegensatz zu ``Es gibt jemanden der jeden liebt''.
1.16 Proposition.
Es sei
eine Abbildung und
.
Dann gilt:
Beweis. (1) ( ) Es sei injektiv und . Dann wählen wir ein und definieren
( ) Umgekehrt sei und . Dann ist , also injektiv.
(2) ( ) Sei nun surjektiv. Für jedes wählen wir ein zugehöriges (Das dies wirklich möglich ist, ist das Auswahlaxiom der Mengenlehre) und setzen . Dann ist eine wohldefinierte Funktion mit .
( ) Umgekehrt sei und . Es ist und , d.h. ist surjektiv.
(3) ( ) Entweder man definiert und rechnet leicht nach, daß diese Relation eine Abbildung ist, welche invers zu ist, oder man verwendet (1) und (2) und erhält ein linksinverses und ein rechtsinverses . Dann ist
( ) Dies folgt sofort aus (1) und (2). []
1.15 Bemerkung.
Die eindeutige Abbildung
mit
und
,
die für bijektive
existiert, heißt Umkehrfunktion von
oder auch inverse Funktion zu
und wird auch als
bezeichnet.
Falls bijektiv ist, so ist das Urbild von bzgl. der Funktion gerade das Bild von bzgl. der Umkehrfunktion von . Beachte jedoch, daß auch dann definiert ist, wenn als Abbildung nicht existiert.
1.17 Definition.
Es sei
eine Abbildung und
eine Teilmenge.
Unter der Einschränkung
verstehen wir die Abbildung
, die
auf
mit
übereinstimmt, also durch
gegeben ist.
Als Teilmenge von
ist also
.
1.18 Um Mengen der Größe nach miteinander vergleichen zu können, können wir für endliche Mengen natürlich die Anzahlen der Elemente bestimmen und diese dann vergleichen. Ohne wirklich zählen zu können gibt es aber auch eine andere Möglichkeit: Um z.B. festzustellen, ob gleichviele HöhrerInnen wie Sitzplätze vorhanden sind, bittet man darum, daß sich alle setzten und falls weder leere Sitze überbleiben noch Personen stehenbleiben, dann sind es gleich viele. Mathematisch kann man das so beschreiben, daß versucht wird jeder Person einen Platz so zuzuordnen, daß keine zwei Personen den gleichen Platz angewiesen bekommen und auch kein Platz übrigbleibt, d.h. diese Zuordnung von der Menge aller Personen in die Menge aller Plätze bijektiv ist. Dieses Verfahren können wir auch bei unendlichen Mengen durchführen und geben dazu folgende
Definition.
Wir schreiben
(oder auch
),
falls
und
gleichmächtig sind, d.h. eine bijektive Abbildung
existiert.
Eine Menge
heißt abzählbar (unendlich) falls sich gleichmächtig mit der Menge
der natürlichen Zahlen ist.
Eine Menge heißt endlich, falls sie nur endlich viele Elemente besitzt, also gleichmächtig zu einer natürlichen Zahl ist.
1.19 Bemerkung.
Im Unterschied zu endlichen Mengen, kann eine unendliche Menge durchaus
gleichmächtig mit einer echten Teilmenge sein.
Z.B. definiert
eine bijektive Abbildung
.
Veranschaulichen kann man sich dies wie folgt: Man betrachtet Hilbert's Hotel, ein Hotel mit abzählbar unendlich vielen Zimmern, die mit den natürlichen Zahlen 0,1,2,...durchnumeriert sind. Diese Hotel sei voll belegt und es kommt ein neuer Gast, welcher dadurch untergebracht werden kann, daß man die bereits einquartierten Gäste bittet jeweils in das Zimmer mit der nächst höheren Nummer zu wechseln und somit Zimmer 0 freibekommt.
Man kann sogar eine unendliche Teilmenge entfernen ohne die Gleichmächtigkeit zu stören: Betrachte die Menge der gerade Zahlen. Dann definiert eine bijektive Abbildung . Und für die Menge der ungeraden Zahlen gilt ebenfalls vermöge . Es ist also die disjunkte Vereinigung und beide Teilmengen sind gleichmächtig mit .
Ebenso ist , denn und sowie , also nach Übungsaufgabe (43).
Veranschaulichen kann man sich das wieder durch Hilbert's Hotel. Diesmal kommt ein Reisebus mit abzählbar unendlich vielen Passagieren die alle untergebracht werden sollen. Diesmal werden die bereits einquartierten Gäste gebeten jeweils in das Zimmer mit der doppelt so großen Nummer zu wechseln. Dann werden alle Zimmer mit ungerader Nummer frei und wir können die Passagiere des Reisebusses in diesen abzählbar unendlich vielen Zimmern unterbringen.
Aber auch ist abzählbar. Dazu numeriere man die Punkte in wie folgt:
Das bedeutet also, daß selbst wenn auf abzählbar unendlich vielen Welten jeweils ein voll belegtes Hotel von Hilbert steht und aus Einsparungsgründen alle bis auf ein Hotel aufgelöst werden sollen, dann kann man den Gästen, die durch Hotelnummer und Zimmernummer beschrieben werden können (also durch Punkte in ), auf eindeutige Weise neue Zimmernummern in des verbleibenden Hotels zuweisen.
In Übungsaufgabe (44) werden wird zeigen, daß die Menge aller endlichen Folgen natürlicher Zahlen ebenfalls abzählbar ist, und somit auch die Menge der Polynome mit rationalen Koeffizienten und ebenso die Menge der algebraischen Zahlen, d.h. Nullstellen solcher Polynome. Aus dem gleichen Argument ist auch die Menge aller möglichen (endlich langen) Worte (die mittels Buchstaben aus einen abzählbaren Alphabet gebildet werden können) abzählbar und ebenfalls die Menge aller mögliche (endlichen) Sätze und genauso aller (endlichen) Bücher.
Daß es aber auch echt mächtigere unendliche Mengen (sogenannte überabzählbare Mengen) gibt, war eine von Cantor's wesentlichen Erkenntnissen:
1.20 Proposition.
Es sei
eine Menge. Dann ist die Potenzmenge
nicht
gleichmächtig mit
.
Offensichtlich definiert eine injektive Abbildung , und somit ist entscheidend größer als .
Beweis. Angenommen es gäbe eine surjektive Abbildung . Dann betrachten wir die Menge . Nach Voraussetzung existiert ein mit . Falls liegt, so folgt , ein Widerspruch. Also kann nur gelten und damit nicht also , ebenfalls ein Widerspruch. Folglich muß die Annahme, daß surjektiv ist, falsch sein. []
Bemerkung.
Ähnlich zeigt man, daß die Menge der reellen Zahlen nicht abzählbar ist.
1.21 Definition.
Es sei
eine Menge von Mengen.
Unter dem Produkt
versteht man die Menge
Andreas Kriegl 2002-02-01