Konvexität


4.1.7 Definition. Konvexität.
Eine Funktion \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\to\protect\mathbb{R}$\egroup heißt konvex, wenn sie nirgends über einer ihrer Sehnen liegt, d.h.

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f(\lambda \,b+(1-\lambda )a)\leq \lambda \,f(b)+(1-\lambda )\,f(a)$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$\displaystyle a<b$\egroup und \bgroup\color{demo}$\displaystyle 0<\lambda <1.
$\egroup

Offensichtlich ist das damit äquivalent, daß

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f\Bigl(\sum_i \lambda _i\, x_i\Bigr)\leq \sum_i \lambda _i\,f(x_i)$\egroup für endlich viele \bgroup\color{demo}$\displaystyle x_i\in\protect\mathbb{R}$\egroup    und \bgroup\color{demo}$\displaystyle \lambda _i\geq 0$\egroup mit \bgroup\color{demo}$\displaystyle \sum_i\lambda _i=1.
$\egroup




4.1.8 Proposition. Charakterisierung konvexer Funktionen.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\to\protect\mathbb{R}$\egroup zweimal differenzierbar. Dann ist \bgroup\color{demo}$ f$\egroup genau dann konvex, wenn \bgroup\color{demo}$ f''\geq 0$\egroup ist.

Beweis. ( \bgroup\color{demo}$ \Rightarrow$\egroup) Wenn \bgroup\color{demo}$ f$\egroup konvex ist, so ist der Differenzen-Quotient \bgroup\color{demo}$ y\mapsto\frac{f(y)-f(x)}{y-x}$\egroup monoton wachsend, denn sei \bgroup\color{demo}$ x<y'<y$\egroup (für \bgroup\color{demo}$ y>x$\egroup), dann existiert ein \bgroup\color{demo}$ 0<\lambda <1$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ y'=(1-\lambda )\,x+\lambda \,y$\egroup, nämlich \bgroup\color{demo}$ \lambda :=\frac{y'-x}{y-x}$\egroup, und somit ist \bgroup\color{demo}$ f(y')\leq (1-\lambda )\,f(x)+\lambda \,f(y)=f(x)+\lambda \,(f(y)-f(x))$\egroup, also

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{f(y')-f(x)}{y'-x}\leq\lambda \,\frac{f(y)-f(x)}{y'-x}=\frac{f(y)-f(x)}{y-x}.
$\egroup

Folglich ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(x)=\lim_{y\to x+}\frac{f(y)-f(x)}{y-x}\leq \frac{f(y)-f(x)}{y-x}
$\egroup

und analog

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(y)=\lim_{x\to y-}\frac{f(y)-f(x)}{y-x}\geq \frac{f(y)-f(x)}{y-x},
$\egroup

also \bgroup\color{demo}$ f'(x)\leq f'(y)$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ f'$\egroup ist monoton wachsend.

Damit ist aber \bgroup\color{demo}$ f''\geq 0$\egroup, denn \bgroup\color{demo}$ f''(x)=\lim_{y\to x-}\frac{f'(y)-f'(x)}{y-x}\geq 0$\egroup.

( \bgroup\color{demo}$ \Leftarrow$\egroup) Nach dem Mittelwertsatz existiert zu \bgroup\color{demo}$ x<y$\egroup ein \bgroup\color{demo}$ \xi $\egroup mit \bgroup\color{demo}$ x<\xi <y$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \frac{f'(y)-f'(x)}{y-x}=f''(\xi )\geq 0$\egroup, also ist \bgroup\color{demo}$ f'(y)\geq f'(x)$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ f'$\egroup ist monoton wachsend.

Angenommen es gäbe \bgroup\color{demo}$ x<y$\egroup und \bgroup\color{demo}$ 0<\lambda <1$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ f(x+\lambda \,(y-x))>f(x)+\lambda \,(f(y)-f(x))$\egroup. Es sei \bgroup\color{demo}$ \xi :=x+\lambda \,(y-x)$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ \lambda =\frac{\xi -x}{y-x}$\egroup bzw. \bgroup\color{demo}$ 1-\lambda =\frac{y-\xi }{y-x}$\egroup. Nach dem Mittelwertsatz existieren \bgroup\color{demo}$ x<x'<\xi $\egroup und \bgroup\color{demo}$ \xi <y'<y$\egroup mit

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(x')=\frac{f(\xi )-f(x)}{\xi -x}$\egroup und \bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(y')=\frac{f(y)-f(\xi )}{y-\xi }.
$\egroup

Somit ist

0 $\displaystyle \leq f'(y')-f'(x') =\frac{f(y)-f(\xi )}{y-\xi }-\frac{f(\xi )-f(x)}{\xi -x}$    
  $\displaystyle =(1-\lambda )\,\frac{f(y)-f(\xi )}{y-x}-\lambda \,\frac{f(\xi )-f(x)}{y-x} =\frac{(1-\lambda )\,(f(y)-f(\xi )+\lambda \,(f(x)-f(\xi ))}{y-x}$    
  $\displaystyle =\frac{\lambda \,f(x)+(1-\lambda )\,f(y)-f(\xi )}{y-x}<0,$    

ein Widerspruch.     []


4.1.9 Kurvendiskussionen.
Mit den nun gewonnen Wissen können wir weitgehende Aussagen über uns vorgelegte (hinreichend differenzierbare) Kurven machen. Neben Grenzwertaussagen für \bgroup\color{demo}$ x\to a$\egroup mit Randpunkten \bgroup\color{demo}$ a$\egroup des Definitionsbereichs können wir das Monotonie-Verhalten und das Konvexitäts-Verhalten durch Lösen der Ungleichungen \bgroup\color{demo}$ f'\geq 0$\egroup bzw. \bgroup\color{demo}$ f''\geq 0$\egroup erhalten. Schnittpunkte mit parallelen Geraden \bgroup\color{demo}$ y=c$\egroup (und insbesonders Nullstellen) erhalten wir durch das Lösen der Gleichung \bgroup\color{demo}$ f(x)=c$\egroup. Wir können Tangenten an beliebigen Stellen bestimmen und insbesonders durch Lösen der Gleichung \bgroup\color{demo}$ f'(x)=0$\egroup alle waagrechten Tangenten und somit die Kandiaten für lokale Extrema bestimmen. Aus den Monotonie oder Konvexitätsverhalten nahe dieser Stellen können wir zumeist entscheiden, ob es sich wirklich um lokale Minima oder Maxima handelt. Schließlich können wir auch die Punkte wo sich daß Konvitätsverhalten ändert finden, indem wir Lösungen der Gleichung \bgroup\color{demo}$ f''(x)=0$\egroup als einzig mögliche Kandidaten untersuchen.


4.1.10 Extremalprobleme.
Am wichtigsten in der Realität ist es wohl (lokale) Extremwerte von Funktionen zu bestimmen. Das werden im allgemeinen Funktionen \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}^m\supseteq X\to\protect\mathbb{R}$\egroup sein. Falls \bgroup\color{demo}$ X$\egroup offen ist, so ist eine notwendige Bedingung für ein Extremum \bgroup\color{demo}$ x_0\in X$\egroup, daß die Richtungs-Ableitung \bgroup\color{demo}$ d_vf(x_0)$\egroup für alle Richtungen \bgroup\color{demo}$ v$\egroup verschwindet. Zumeist wird allerdings \bgroup\color{demo}$ X$\egroup nicht offen sein, sondern die \bgroup\color{demo}$ X$\egroup durch gewissen Restriktionen (Nebenbedingungen) eingeschränkt sein. Wir können im Moment nur den Fall, wo diese Nebenbedingungen eine 1-dimensionale Teilmenge \bgroup\color{demo}$ X$\egroup (also eine parametrisierte Kurve) beschreiben behandeln. Sei also \bgroup\color{demo}$ X=\{x(t):t\in I\}$\egroup eine differenzierbare Parametrsierung von \bgroup\color{demo}$ X$\egroup durch \bgroup\color{demo}$ c:\protect\mathbb{R}\supseteq I\to X$\egroup. Gesucht sind die Parameter \bgroup\color{demo}$ t$\egroup für welche \bgroup\color{demo}$ f\o x:I\to \protect\mathbb{R}$\egroup ein lokales Extremum besitzt. Dies können wir wie zuvor mit Differentialrechnung behandeln.

Zumeist wird die Menge \bgroup\color{demo}$ X$\egroup nicht in parametrisierter Form vorliegen, sondern in impliziter Form und dann müssen wir im ersten Schritt versuchen diese implizite Gleichung(en) in eine explizite Umzuwandeln.

Sei also z.B. jendes Rechteck mit maximaler Fläche bei gegebenen Umfang \bgroup\color{demo}$ 4$\egroup gesucht. Es bezeichne \bgroup\color{demo}$ x$\egroup und \bgroup\color{demo}$ y$\egroup die Seiten des Rechtecks die zu maximierende Fläche ist dann durch \bgroup\color{demo}$ f(x,y)=x\cdot y$\egroup gegeben. Die Nebenbedingung ist \bgroup\color{demo}$ 2x+2y=4$\egroup, also können wir \bgroup\color{demo}$ x$\egroup als Parameter \bgroup\color{demo}$ t$\egroup verwenden und \bgroup\color{demo}$ y=2-x=2-t$\egroup setzen. Die Parametrisierung ist also \bgroup\color{demo}$ t\mapsto (t,2-t)$\egroup und die Zu minimierende Funktion ist \bgroup\color{demo}$ t\mapsto f(t,2-t)=t(2-t)=1-(t-1)^2$\egroup, nimmt ihr Maximum also bei \bgroup\color{demo}$ t=1$\egroup und somit \bgroup\color{demo}$ x=1=y$\egroup an.

Beachte, daß wir das entsprechende Problem für Dreiecke so nicht lösen können. Denn das Dreieck wird durch die Längen der 3 Seiten \bgroup\color{demo}$ x$\egroup, \bgroup\color{demo}$ y$\egroup und \bgroup\color{demo}$ z$\egroup beschreiben. Die Fläche ist durch die Heron'sche Formel mit \bgroup\color{demo}$ \sqrt{s(s-x)(s-y)(s-z)}$\egroup, wo \bgroup\color{demo}$ s:=\frac{x+y+z}2$\egroup, gegeben. Die Nebenbedingung ist \bgroup\color{demo}$ x+y+z=U$\egroup und daraus können wir nur eine Seite aus den beiden anderen ausrechnen, es bleibt also eine Funktion in zwei Variablen übrig, die wir noch nicht gut behandeln können.

Das selbe Problem tritt auf, wenn wir den Quader mit maximalen Volumen \bgroup\color{demo}$ x\cdot y\cdot z$\egroup bei gegebener Oberfläche \bgroup\color{demo}$ O=2(x\cdot y+y\cdot z+z\cdot x)$\egroup bestimmen wollen.




4.1.11 Regel von De L'Hospital.
Die Funktionen \bgroup\color{demo}$ f$\egroup und \bgroup\color{demo}$ g$\egroup seien differenzierbar auf \bgroup\color{demo}$ (a,b)$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ g'(x)\ne 0$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ x$\egroup. Weiters sei \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a+}f(x)=\lim_{x\to a+}g(x)=0$\egroup oder es sei \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a+}f(x)=\lim_{x\to a+}g(x)=+{\infty}$\egroup. Dann ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_{x\to a+}\frac{f(x)}{g(x)} = \lim_{x\to a+}\frac{f'(x)}{g'(x)},
$\egroup

sofern der Limes auf der rechten Seite im eigentlichen oder uneigentlichen Sinn existiert.

Beweis. Beweis für \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a+}f(x)=\lim_{x\to a+}g(x)=0$\egroup:
Es sei \bgroup\color{demo}$ \lambda :=\lim_{x\to a+}\frac{f'(x)}{g'(x)}$\egroup, d.h. für jedes \bgroup\color{demo}$ \varepsilon >0$\egroup existiert ein \bgroup\color{demo}$ \delta >0$\egroup s.d. \bgroup\color{demo}$ \vert f'(x)/g'(x)-\lambda \vert<\varepsilon $\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ a<x<a+\delta $\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ a<x<y<a+\delta $\egroup ist nach dem Mittelwertsatz

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{f(y)-f(x)}{g(y)-g(x)}=\frac{f'(\xi )}{g'(\xi )}
$\egroup

für ein \bgroup\color{demo}$ \xi \in[x,y]$\egroup, also auch

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \left\vert\frac{f(y)-f(x)}{g(y)-g(x)}-\lambda \right\vert<\varepsilon .
$\egroup

Der Grenzübergang \bgroup\color{demo}$ x\to a+$\egroup liefert somit

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \left\vert\frac{f(y)}{g(y)}-\lambda \right\vert\leq\varepsilon ,
$\egroup

also ist auch \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a+}\frac{f(x)}{g(x)}=\lambda $\egroup.

Beweis für \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a+}f(x)=\lim_{x\to a+}g(x)={\infty}$\egroup:
Es sei \bgroup\color{demo}$ \lambda :=\lim_{x\to a+}\frac{f'(x)}{g'(x)}$\egroup, d.h. für jedes \bgroup\color{demo}$ \varepsilon >0$\egroup existiert ein \bgroup\color{demo}$ \delta >0$\egroup s.d. \bgroup\color{demo}$ \vert f'(x)/g'(x)-\lambda \vert<\varepsilon $\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ a<x<a+\delta $\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ a<x<y<a+\delta $\egroup ist nach dem Mittelwertsatz

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{f(y)-f(x)}{g(y)-g(x)}=\frac{f'(\xi )}{g'(\xi )}
$\egroup

für ein \bgroup\color{demo}$ \xi \in[x,y]$\egroup. Also

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{f(x)}{g(x)}=\frac{f'(\xi )}{g'(\xi )}\,\frac{1-g(y)/g(x)}{1-f(y)/f(x)}.
$\egroup

Nach Voraussetzung ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_{x\to a+}\frac{1-g(y)/g(x)}{1-f(y)/f(x)}=1
$\egroup

Somit ist für \bgroup\color{demo}$ x\to a+$\egroup

$\displaystyle \left\vert\frac{f(x)}{g(x)}-\lambda \right\vert$ $\displaystyle = \left\vert\frac{f'(\xi )}{g'(\xi )}\,\frac{1-g(y)/g(x)}{1-f(y)/f(x)}-\lambda \right\vert$    
  $\displaystyle \leq \underbrace{\left\vert\frac{f'(\xi )}{g'(\xi )}-\lambda \rig...
...ce{\left\vert\frac{1-g(y)/g(x)}{1-f(y)/f(x)}-1\right\vert}_{\to 0}.{\rm\quad[]}$    


4.1.12 Beispiel.


4.1.13 Definition. Richtungsableitung.

Da wir eigentlich an Funktionen \bgroup\color{demo}$ f$\egroup in mehreren Variablen, also Abbildungen \bgroup\color{demo}$ f:E\to F$\egroup zwischen allgemeinen endlich dimensionalen Vektorräumen \bgroup\color{demo}$ E$\egroup und \bgroup\color{demo}$ F$\egroup interessiert sind, wäre wir gerne in der Lage auch diese zu Differenzieren. Dabei können wir aber nicht mehr \bgroup\color{demo}$ \frac{f(x_0+v)-f(x_0)}{v}$\egroup bilden, da wir Vektoren nicht dividieren können. Solang wir die Variable \bgroup\color{demo}$ x$\egroup in \bgroup\color{demo}$ f(x)$\egroup allerdings von \bgroup\color{demo}$ x_0$\egroup aus nur in eine fixe Richtung \bgroup\color{demo}$ v\in E$\egroup variieren, d.h. nur Argumente der Form \bgroup\color{demo}$ x=x_0+t\,v$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ t\in\protect\mathbb{R}$\egroup betrachten, also die Zusammensetzung von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup mit der affinen Gerade \bgroup\color{demo}$ t\mapsto x_0+t\,v$\egroup, dann können wir sehr wohl den Differenzenquotient \bgroup\color{demo}$ \frac{f(x_0+t\,v)-f(x_0)}{t}\in F$\egroup betrachten und wir bezeichnen dessen Grenzwert als Richtungsableitung ] \bgroup\color{demo}$ d_v$\egroupRichtungsableitung in Richtung \bgroup\color{demo}$ v$\egroup \bgroup\color{demo}$ d_vf(x_0):=\lim_{t\to 0}\frac{f(x_0+t\,v)-f(x_0)}{t}\in F$\egroup von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup an der Stelle \bgroup\color{demo}$ x_0$\egroup in Richtung \bgroup\color{demo}$ v$\egroup.

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//pic-3-03.gif

Wählen wir als Richtungen insbesonders die Koordinaten-Richtungen \bgroup\color{demo}$ e_1,e_2,\dots$\egroup so spricht man anstelle von Richtungsableitungen auch von den partiellen Ableitungen und bezeichnet sie mit

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \d_1 f:=d_{e_1}f,\quad d_2 f:=d_{e_2}f,\dots
$\egroup

oder auch als

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{\d f(x_1,\dots,x_n)}{\d x_1}:=\d_1 f(x_1...
...\quad
\frac{\d f(x_1,\dots,x_n)}{\d x_2}:=\d_2 f(x_1,\dots,x_n),\dots
$\egroup

Die partielle Ableitung \bgroup\color{demo}$ \d_i f$\egroup nach der \bgroup\color{demo}$ i$\egroup-te Variable erhalten wir also dadurch, daß wir in \bgroup\color{demo}$ f(x_1,\dots,x_{i-1},x_i,x_{i+1},\dots,x_n)$\egroup alle Variablen bis auf \bgroup\color{demo}$ x_i$\egroup festhalten und den resultierenden Term nach der verbliebenen Variable \bgroup\color{demo}$ x_i$\egroup differenzieren.


Beispiel.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f(x,y,z):=x\cdot y^2+\sin(z)$\egroup. Dann ist

$\displaystyle \frac{\d f(x,y,z)}{\d x}=\d_1 f(x,y,z)$ $\displaystyle = y^2$    
$\displaystyle \frac{\d f(x,y,z)}{\d y}=\d_2 f(x,y,z)$ $\displaystyle = 2xy$    
$\displaystyle \frac{\d f(x,y,z)}{\d z}=\d_3 f(x,y,z)$ $\displaystyle = \cos(z)$    




4.1.14 Kettenregel.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to \protect\mathbb{R}$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup und \bgroup\color{demo}$ g:\protect\mathbb{R}\supseteq V\to \protect\mathbb{R}$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ f(x)\in V$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ g\o f:\protect\mathbb{R}\supseteq U\supseteq f^{-1}(V)\to V \to \protect\mathbb{R}$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ x$\egroup und es gilt

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (g\o f)'(x)= g'(f(x))\o f'(x).
$\egroup

Beweis. Es bezeichne

$\displaystyle r_f(v)$ $\displaystyle := f(x+v) - f(x) - f'(x) v$    
$\displaystyle r_g(w)$ $\displaystyle := g(f(x)+w) - g(f(x)) - g'(f(x)) w$    

dann ist \bgroup\color{demo}$ \lim_{v\to 0}r_f(v)/v=0$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \lim_{w\to 0} r_g(w)/w=0$\egroup und mit \bgroup\color{demo}$ w:=f(x+v)-f(x)=r_f(v)+f'(x)v$\egroup gilt somit

$\displaystyle (g\o f)(x+v)-(g\o f)(x)$ $\displaystyle = g(f(x)+w) - g(f(x)) = g'(f(x)) w +r_g(w)$    
  $\displaystyle = g'(f(x))\cdot (f'(x)\cdot v+r_f(v)) +$    
  $\displaystyle \qquad+\frac{r_g(f(x+v)-f(x))}{f(x+v)-f(x)}\cdot(f(x+v)-f(x)).$    

Nach Division mit \bgroup\color{demo}$ v$\egroup konvergiert die rechte Seite (für \bgroup\color{demo}$ v\to 0$\egroup) gegen

\bgroup\color{demo}$\displaystyle g'(f(x))\cdot (f'(x)+0)+0\cdot f'(x)= g'(f(x))\cdot f'(x).{\rm\quad[]}
$\egroup

    []




4.1.15 Produktregel von Leibnitz.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f,g:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to\protect\mathbb{R}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ a\in U$\egroup differenzierbar. Dann ist auch \bgroup\color{demo}$ f\cdot g:U\to \protect\mathbb{R}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ a$\egroup differenzierbar und

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (f\cdot g)'(a)=f'(a)\cdot g(a)+f(a)\cdot g'(a).
$\egroup

Beweis. Es gilt:

$\displaystyle \frac{(f\cdot g)(x)-(f\cdot g)(a)}{x-a}$ $\displaystyle = f(x)\cdot \frac{g(x)-g(a)}{x-a}+\frac{f(x)-f(a)}{x-a}\cdot g(a)$    
  $\displaystyle \to f(a)\cdot g'(a) + f'(a)\cdot g(a),$    

da \bgroup\color{demo}$ f$\egroup nach (4.1.1) bei \bgroup\color{demo}$ a$\egroup stetig ist.     []


4.1.16 Ableitung von $ a\mapsto 1/x$.
Die Funktion \bgroup\color{demo}$ x\mapsto 1/x$\egroup ist differenzierbar auf \bgroup\color{demo}$ \protect\mathbb{R}\setminus\{0\}$\egroup und ihre Ableitung ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{d}{dx} \frac1{x} = -\frac1{x^2}.
$\egroup

Beweis. Es gilt:

$\displaystyle \frac{\frac1x-\frac1a}{x-a}$ $\displaystyle = -\frac1{xa}\to -\frac1{a^2}.{\rm\quad[]}$    




4.1.17 Quotientenregel.
Es seien \bgroup\color{demo}$ f,g:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to\protect\mathbb{R}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ a\in U$\egroup differenzierbar und \bgroup\color{demo}$ g(a)\ne 0$\egroup. Dann ist auch \bgroup\color{demo}$ \frac{f}{g}:U\to \protect\mathbb{R}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ a$\egroup differenzierbar und

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \left(\frac{f}{g}\right)'(a)=\frac{g(a)\,f'(a)-f(a)\,g'(a)}{g(a)^2}.
$\egroup

Beweis. Es ist \bgroup\color{demo}$ \frac{f}{g}=f\cdot (i\o g)$\egroup, wobei \bgroup\color{demo}$ i$\egroup die Funktion \bgroup\color{demo}$ x\mapsto 1/x$\egroup ist. Also folgt aus (4.1.16), (4.1.14) und (4.1.15):

$\displaystyle \left(\frac{f}{g}\right)'(a)$ $\displaystyle = \left(f\cdot (i\o g)\right)'(a) = f'(a)\cdot (i\o g)(a) + f(a)\cdot (i\o g)'(a)$    
  $\displaystyle = \frac{f'(a)}{g(a)}+ f(a)\,\frac{-1}{g(a)^2}\cdot g'(a) = \frac{g(a)\,f'(a)-f(a)\,g'(a)}{g(a)^2}.{\rm\quad[]}$    




4.1.18 Lemma. Komponentenweise Ableitung.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f=(f^1,\dots,f^m):\protect\mathbb{R}\supseteq U\to \protect\mathbb{R}^m$\egroup und \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ f$\egroup genau dann differenzierbar \bgroup\color{demo}$ x$\egroup, wenn die Komponenten \bgroup\color{demo}$ f^j:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to \protect\mathbb{R}$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ x$\egroup sind für alle \bgroup\color{demo}$ j$\egroup. Es gilt dann

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(x)=((f^1)'(x),\dots,(f^m)'(x)).
$\egroup

Beweis. \bgroup\color{demo}$ (\Rightarrow)$\egroup Da \bgroup\color{demo}$ f^j:=\operatorname{pr}_j\o f$\egroup, wobei \bgroup\color{demo}$ \operatorname{pr}_j:F_1\times \dots\times F_m\to F_j$\egroup die kanonische Projektion bezeichnet, folgt dies aus (7.4.4).

\bgroup\color{demo}$ (\Leftarrow)$\egroup folgt, da der Differenzenquotienten \bgroup\color{demo}$ \frac{f(x)-f(a)}{x-a}$\egroup komponentenweise berechnet werden kann und Limiten in einem Produkt komponentenweise berechnet werden können.     []




4.1.19 Linearität des Differenzierens.
Es seien \bgroup\color{demo}$ f,g:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to F$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \lambda \in\protect\mathbb{R}$\egroup, dann ist auch \bgroup\color{demo}$ f+\lambda g$\egroup differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ x$\egroup und es gilt \bgroup\color{demo}$ (f+\lambda g)'(x)=f'(x)+\lambda g'(x)$\egroup.

Beweis. Dies gilt, da der Differenzenquotient einer Linearkombination die entsprechende Linearkombination der Differenzenquotienten ist.     []




4.1.20 Proposition. Differenzierbarkeit der Umkehrabbildung.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\supseteq I\to \protect\mathbb{R}$\egroup streng monoton und stetig auf dem Intervall \bgroup\color{demo}$ I$\egroup. Sei \bgroup\color{demo}$ \xi \in I$\egroup und \bgroup\color{demo}$ f$\egroup sei differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ \xi $\egroup mit Ableitung \bgroup\color{demo}$ f'(\xi )\ne 0$\egroup. Dann ist die Umkehrfunktion \bgroup\color{demo}$ f^{-1}:\protect\mathbb{R}\supseteq f(I)\to\protect\mathbb{R}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ f(\xi )$\egroup differenzierbar und ihre Ableitung ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (f^{-1})'(f(\xi ))=\frac1{f'(\xi )}.
$\egroup

Beweis. Nach dem inversen Funktionensatz (3.4.3) ist \bgroup\color{demo}$ f(I)$\egroup ein Intervall. Falls \bgroup\color{demo}$ f^{-1}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ f(\xi )$\egroup differenzierbar ist, so folgt aus der Kettenregel (4.1.14), daß \bgroup\color{demo}$ f'(f(\xi ))\cdot f'(\xi )=\operatorname{id}'(\xi )=1$\egroup ist. Wir wollen also zeigen, daß \bgroup\color{demo}$ f^{-1}$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ \eta :=f(\xi )$\egroup differenzierbar mit Ableitung \bgroup\color{demo}$ 1/f'(\xi )$\egroup ist. Sei \bgroup\color{demo}$ y_n$\egroup eine Folge in \bgroup\color{demo}$ f(I)$\egroup welche gegen \bgroup\color{demo}$ f(\xi )$\egroup konvergiert. Da \bgroup\color{demo}$ f^{-1}$\egroup nach (3.4.3) stetig ist konvergiert \bgroup\color{demo}$ x_n:=f^{-1}(y_n)$\egroup gegen \bgroup\color{demo}$ f^{-1}(f(\xi ))=\xi $\egroup. Somit konvergiert

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \frac{f^{-1}(y_n)-f^{-1}(et)}{y_n-\eta } =
\f...
...frac1{\frac{f(x_n)-f(\xi )}{x_n-\xi }}\to \frac1{f'(\xi )}.{\rm\quad[]}
$\egroup


4.1.21 Beispiele inverser Abbildungen.

(1)
Es ist $ \sin:[-\pi/2,\pi/2]\to [-1,1]$ streng monoton wachsend mit Ableitung $ \sin'(x)=\cos(x)>0$ für $ -\pi/2<x<\pi/2$. Also existiert für $ \vert y\vert<1$ nach (4.1.20) die Ableitung der Umkehrfunktion $ \arcsin:[-1,1]\to[-\pi/2,\pi/2]$ bei $ y$ und zwar ist

$\displaystyle \arcsin'(y)$ $\displaystyle = \frac1{\sin'(\arcsin(y))}=\frac1{\cos(\arcsin(y))}$    
  $\displaystyle =\frac1{\sqrt{1-\sin(\arcsin(y))^2}} =\frac1{\sqrt{1-y^2}}.$    

]$ \arcsin$Arcussinus, Umkehrfunktion von $ \sin$

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//pic-3-07a.gif

Beachte, daß $ \arcsin$ nur auf dem Bild $ \sin(\protect\mathbb{R})=[-1,1]$ definierbar ist, und $ x=\arcsin(y)$ nur eine (die absolut kleinste) Lösung von $ \sin(x)=y$ liefert.

Analog zeigt man für $ \cos:[0,\pi]\to[-1,1]$, daß $ \arccos'(y)=-\frac1{\sqrt{1-y^2}}$ ist. Wieder ist $ \arccos$ nur auf dem Bild $ \cos(\protect\mathbb{R})=[-1,1]$ definiert und $ x=\arccos(y)$ ist die kleinste positive Lösung von $ \cos(x)=y$. ]$ \arccos$Arcuscosinus, Umkehrfunktion von $ \cos$

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//pic-3-07b.gif

(2)
Es ist $ \tan:(-\pi/4,\pi/4)\to \protect\mathbb{R}$ streng monoton wachsend mit Ableitung

$\displaystyle \tan'(x)$ $\displaystyle =\frac{\cos(x)\sin'(x)-\sin(x)\cos'(x)}{\cos(x)^2} =\frac{\cos(x)^2+\sin(x)^2}{\cos(x)^2}$    
  $\displaystyle =1+\tan(x)^2=\frac1{\cos(x)^2}\geq 1$    

für alle $ x$. Also existiert nach (4.1.20) die Ableitung der Umkehrfunktion $ \arctan$ und zwar ist

$\displaystyle \arctan'(y) = \frac1{\tan'(\arctan(y))}=\frac1{1+\tan(\arctan(y))^2}
=\frac1{1+y^2}.
$

]$ \arctan$Arcustangens, Umkehrfunktion von $ \tan$

Im Unterschied zu den vorigen Beispiel ist diese Umkehrfunktion nun auf $ \protect\mathbb{R}=\operatorname{Bild}(\tan)$ definiert und $ x=\arctan(y)$ ist wieder nur eine Lösung diesmal von $ \tan(x)=y$.

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//pic-3-07c.gif

(3)
In (3.4.13) haben wir bereits die Umkehrfunktion $ \log$ der stetigen und streng monoton wachsenden Exponentialfunktion $ \exp:x\mapsto x=e^x$ ]$ \exp$Exponentialfunktion zur Basis $ e$ kennengelernt. Wegen $ \lim_{n\to{\infty}}e^n=+{\infty}$ und somit $ \lim_{n\to{\infty}}e^{-n}=0$ ist $ \exp:\protect\mathbb{R}\to (0,+{\infty})$ bijektiv und folglich existiert nach (3.4.3) die Umkehrfunktion $ \exp^{-1}:(0,+{\infty})\to\protect\mathbb{R}$. Diese heißt natürlicher Logarithmus, wird mit $ \operatorname{ln}$ oder $ \log$ (in MATHEMATICA mit Log) bezeichnet und ist ebenfalls stetig und streng monoton wachsend. Wegen $ \exp(x_1+x_2)=e^{x_1+x_2}=e^{x_1}\cdot e^{x_1}=\exp(x_1)\cdot \exp(x_2)$ ist $ \operatorname{ln}(y_1\cdot y_2)=\operatorname{ln}(y_1)+\operatorname{ln}(y_2)$. Als nächstes wollen wir die Differenzierbarkeit von $ \operatorname{ln}$ beweisen. Aus $ e=\lim_{n\to{\infty}}(1+\frac1n)^n$ folgt durch Logarithmieren (d.h. Anwenden von $ \operatorname{ln}$) $ 1=\operatorname{ln}(\exp(1))=\operatorname{ln}(e)=\operatorname{ln}(\lim_{n\to{\infty}}(1+\frac1n)^n)=\lim_{n\to
{\infty}} n\operatorname{ln}(1+\frac1n)$. Und man kann dies verallgemeinern zu

$\displaystyle \operatorname{ln}'(1)=\lim_{t\to 0}\frac{\operatorname{ln}(1+t)-\operatorname{ln}(1)}{t}
= \lim_{n\to{\infty}} n\operatorname{ln}(1+\frac1n)=1.
$

Damit ist aber auch $ \exp$ differenzierbar bei 0 mit Ableitung

$\displaystyle \exp'(0)=\lim_{s\to 0}\frac{\exp(s)-\exp(0)}{s}=\lim_{s\to 0}\frac{e^s-1}{s}
$

und wenn wir $ t=e^s-1$ setzten, dann ist $ s\to 0$ äquivalent mit $ t\to 0$, denn $ s=\operatorname{ln}(t+1)$, und somit ist

$\displaystyle \exp'(0)=\lim_{s\to 0}\frac{e^s-1}{s}=\lim_{t\to 0}\frac{t}{\operatorname{ln}(1+t)}=1.
$

Wegen $ \exp(t+x)\exp(t)\exp(x)$ folgt schließlich

$\displaystyle \exp'(x)$ $\displaystyle =\lim_{t\to 0}\frac{\exp(t+x)-\exp(x)}{t} =\lim_{t\to 0}\frac{e^t-1}{t}\,e^x$    
  $\displaystyle =\exp'(1)\cdot \exp(x)=\exp(x).$    

Nach (4.1.20) existiert somit die Ableitung der Umkehrfunktion $ \operatorname{ln}$ und zwar ist

$\displaystyle \operatorname{ln}'(y) = \frac1{\exp'(\operatorname{ln}(y))}=\frac1{\exp(\operatorname{ln}(y))}
=\frac1y.
$

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//pic-3-07d.gif


4.1.22 Definition. Höhere Ableitungen.
Rekursiv nennen wir eine Funktion \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to F$\egroup \bgroup\color{demo}$ n+1$\egroup-mal differenzierbar, wenn sie auf \bgroup\color{demo}$ U$\egroup differenzierbar ist und ihre Ableitung \bgroup\color{demo}$ f':U\to F$\egroup seinerseits \bgroup\color{demo}$ n$\egroup-mal differenzierbar ist. Dabei soll die Eiggenschaft 0-mal differenzierbar zu sein immer erfüllt sein.

Die \bgroup\color{demo}$ n+1$\egroup-te Ableitung \bgroup\color{demo}$ f^{(n+1)}$\egroup ist dann als

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(n+1)}:= (f')^{(n)}
$\egroup

definiert.

Schließlich heißt eine Funktion unendlich oft (oder genauer beliebig oft) differenzierbar, wenn sie \bgroup\color{demo}$ n$\egroup-mal differenzierbar ist für jedes \bgroup\color{demo}$ n\in\protect\mathbb{N}$\egroup.

4.1.23. Newtonverfahren Um eine Nullstelle der (nicht-linearen) Gleichung \bgroup\color{demo}$ f(x)=0$\egroup zu erhalten beginnen wir mit irgend einem Näherungswert \bgroup\color{demo}$ x_0$\egroup, betrachten die affine Funktion \bgroup\color{demo}$ x\mapsto f'(x_0)(x-x_0)+f(x_0)$\egroup die \bgroup\color{demo}$ f$\egroup am besten approximiert, bestimmen ihre Nullstelle \bgroup\color{demo}$ x_1$\egroup, d.h. lösen \bgroup\color{demo}$ f'(x_0)(x_1-x_0)+f(x_0)=0$\egroup und erhalten als neue Näherungsnullstelle von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup den Punkt \bgroup\color{demo}$ x_1:=x_0-f'(x_0)^{-1}\,f(x_0)$\egroup. Das Newtonverfahren besteht nun darin auf rekursive Weise \bgroup\color{demo}$ x_{n+1}:=g(x_n):=x_n-f'(x_n)^{-1}\,f(x_n)$\egroup zu definieren und zu hoffen, daß \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}:=\lim_{n\to{\infty}}x_n$\egroup existiert, weil dann \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}=g(x_{\infty})$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ f(x_{\infty})=0$\egroup ist (Verwende die stetige Differenzierbarkeit von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup und damit die Stetigkeit von \bgroup\color{demo}$ g$\egroup). Da aber die Bestimmung der Inversen \bgroup\color{demo}$ f'(x_0)^{-1}$\egroup einer Matrix \bgroup\color{demo}$ f'(x_0)$\egroup sehr aufwendig ist, modifizieren wir dieses Verfahren derart, daß wir Anstelle von \bgroup\color{demo}$ f'(x_n)$\egroup immer das fixe \bgroup\color{demo}$ f'(x_0)$\egroup verwenden und erhalten:




Vereinfachtes Newtonverfahren.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:E\to F$\egroup stetig differenzierbar und \bgroup\color{demo}$ x_0\in E$\egroup. Es sei \bgroup\color{demo}$ f'(x_0)$\egroup invertierbar und es existiere ein \bgroup\color{demo}$ q<1$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ \vert f'(x_0)^{-1}\vert\cdot\vert f'(x_0)-f'(x)\vert\leq q$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ x$\egroup in einer offenen Menge \bgroup\color{demo}$ U$\egroup. Weiters sei

\bgroup\color{demo}$\displaystyle B:=\Bigl\{x:\vert x-x_0\vert\leq\frac{\vert f'(x_0)^{-1}\cdot f(x_0)\vert}{1-q}\Bigr\}\subseteq U.
$\egroup

Dann konvergiert die vereinfachte Newtonfolge \bgroup\color{demo}$ x_{n+1}:=x_n-f'(x_0)^{-1}\cdot f(x_n)$\egroup gegen eine Nullstelle \bgroup\color{demo}$ \xi \in B$\egroup.

Beweis. Wir betrachten \bgroup\color{demo}$ g(x):=x-f'(x_0)^{-1}\cdot f(x)$\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ x,y\in B$\egroup ist nach dem Mittelwertsatz \bgroup\color{demo}$ \vert g(x)-g(y)\vert\leq \sup\{\vert g'(\xi )\vert\,\vert x-y\vert:\xi \in B\}$\egroup. Es ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle g'(z)=\operatorname{id}- f'(x_0)^{-1}\, f'(z) = f'(x_0)^{-1}\,(f'(x_0)-f'(z))
$\egroup

und somit

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \vert g'(z)\vert\leq \vert f'(x_0)^{-1}\vert\,\vert f'(x_0)-f'(z)\Vert\leq q<1.
$\egroup

Man zeigt leicht, daß \bgroup\color{demo}$ g(B)\subseteq B$\egroup, da \bgroup\color{demo}$ B=\{x:d(x,x_0)\leq \frac{d(g(x_0),x_0)}{1-q}\}$\egroup. Nach dem Banach'schen Fixpunktsatz (3.4.17) existiert somit \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}:=\lim_{n\to{\infty}} x_n\in B$\egroup und somit ist \bgroup\color{demo}$ x_{\infty}=g(x_{\infty})=x_{\infty}-f'(x_0)^{-1}\cdot f(x_{\infty})$\egroup, also ist \bgroup\color{demo}$ f(x_{\infty})=0$\egroup.     []


4.1.24 Beispiel. Julia-Menge.
Die Menge der Startwerte, für welche die Newtonfolge gegen eine fixe Nullstelle konvergiert, ist im allgemeinen schwer beschreibbar. Betrachten wir z.B. das Polynom \bgroup\color{demo}$ p(z):=z^3-1$\egroup als Abbildung \bgroup\color{demo}$ p:\protect\mathbb{C}\to\protect\mathbb{C}$\egroup. Dieses hat 3 komplexe Nullstellen \bgroup\color{demo}$ 1$\egroup, \bgroup\color{demo}$ -\frac12\pm i\,\frac{\sqrt{3}}2$\egroup. Wir können es auch als Abbildung \bgroup\color{demo}$ p:\protect\mathbb{R}^2\to\protect\mathbb{R}^2$\egroup auffassen. Die Ableitung von \bgroup\color{demo}$ p$\egroup ist gegeben durch (Multiplikation mit) \bgroup\color{demo}$ 3z^2$\egroup und die Newtonrekursion somit durch \bgroup\color{demo}$ g:z\mapsto z-\frac{p(z)}{p'(z)}=z-\frac{z^3-1}{3z^2}=\frac{2z^3+1}{3z^2}$\egroup. Färben wir die Punkte der Ebene in 3 Farben entsprechend den 3 Nullstellen gegen welche die Newtonfolge mit diesen Startwerten konvergiert so erhalten wir folgendes fraktales Bild, eine Juliamenge:

Image /home/andreas/tex/Books/math4ilak//Julia.gif

animation animation

Wir werden später sehen, daß für die Konvergenz der allgemeinen Newtonfolge die Bedingungen \bgroup\color{demo}$ \vert f'(z)^{-1}\vert^2\,\vert f''(z)\vert\,\vert f(z)\vert\leq q<1$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \vert f'(z)^{-1}\, f(z)\vert\leq (1-q)\,r$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ \vert z-z_0\vert\leq r$\egroup genügen. In diesen Beispiel sind diese Bedingungen für \bgroup\color{demo}$ q:=1/2$\egroup und \bgroup\color{demo}$ r:=1/2$\egroup erfüllt.




4.1.25 Lemma.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:\protect\mathbb{R}\supseteq U\to \protect\mathbb{R}$\egroup differenzierbar auf \bgroup\color{demo}$ U\setminus\{a\}$\egroup für ein \bgroup\color{demo}$ a\in U$\egroup und weiters existiere \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to a}f'(x)$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ f$\egroup auch differenzierbar bei \bgroup\color{demo}$ a$\egroup und \bgroup\color{demo}$ f'(a)=\lim_{x\to a}f'(x)$\egroup.

Beweis. Nach dem Mittelwertsatz ist \bgroup\color{demo}$ \frac{f(x)-f(a)}{x-a}=f'(\xi )$\egroup für ein von \bgroup\color{demo}$ x$\egroup abhängiges \bgroup\color{demo}$ \xi \in\{a+t(x-a):0<t<1\}$\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ x\to a$\egroup konvergiert \bgroup\color{demo}$ \xi \to a$\egroup und somit ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \lim_{x\to a}\frac{f(x)-f(a)}{x-a}=\lim_{\xi \to a}f'(\xi ).{\rm\quad[]}
$\egroup


4.1.26 Beispiel.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f(x):=e^{-1/x^2}$\egroup für \bgroup\color{demo}$ x\ne 0$\egroup. Wegen \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to 0}f(x)=\lim_{y\to{\infty}}e^(-y)=0$\egroup setzen wir \bgroup\color{demo}$ f(0):=0$\egroup und erhalten eine stetige und auf \bgroup\color{demo}$ \protect\mathbb{R}\setminus\{0\}$\egroup differenzierbare Funktion mit Ableitung \bgroup\color{demo}$ f'(x)=\frac2{x^3}e^{-1/x^2}$\egroup. Wegen \bgroup\color{demo}$ \lim_{y\to+{\infty}}y^{3/2}\,e^{-y}=0$\egroup ist \bgroup\color{demo}$ \lim_{x\to 0}f'(x)=0$\egroup, also \bgroup\color{demo}$ f$\egroup auch bei 0 differenzierbar mit Ableitung \bgroup\color{demo}$ f'(0)=0$\egroup.

Andreas Kriegl 2003-10-15