19.1 Grundlegendes


19.1.1 Definition. Zweite Ableitung.
Wir wollen nun die 2. Ableitung einer Funktion \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup definieren. Für \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup war die Ableitung von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup bei \bgroup\color{demo}$ x$\egroup eine lineare Abbildung \bgroup\color{demo}$ f'(x):E\to F$\egroup (also \bgroup\color{demo}$ f'(x)\in L(E,F)$\egroup) und bei variierendem \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup ist für differenzierbares \bgroup\color{demo}$ f$\egroup die Ableitung eine Abbildung \bgroup\color{demo}$ f':E\supseteq U\to L(E,F)$\egroup. Falls dies im Punkte \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup seinerseits differenzierbar ist, also \bgroup\color{demo}$ (f')'(x):E\to L(E,F)$\egroup als lineare Abbildung existiert, so können wir \bgroup\color{demo}$ (f')'(x)$\egroup auch als bilineare Abbildung \bgroup\color{demo}$ E\times E\to F$\egroup auffassen (siehe (17.2.2)), und welche wir mit \bgroup\color{demo}$ f''(x)\in L(E,E;F)$\egroup bezeichnen. Falls \bgroup\color{demo}$ f':E\supseteq U\to L(E,F)$\egroup auf ganz \bgroup\color{demo}$ U$\egroup differenzierbar ist, so nennen wir \bgroup\color{demo}$ f$\egroup zweimal differenzierbar. Die Ableitung \bgroup\color{demo}$ (f')'$\egroup von \bgroup\color{demo}$ f'$\egroup ist dann eine Abbildung \bgroup\color{demo}$ (f')':E\supseteq U\to L(E,L(E,F))$\egroup und vermöge der Identification von \bgroup\color{demo}$ L(E_1,L(E_2,F))$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ L(E_1,E_2;F)$\egroup aus (17.2.2) erhalten wir eine Abbildung \bgroup\color{demo}$ f'':E\supseteq U\to L(E,E;F)$\egroup die sogenannte zweite Ableitung von \bgroup\color{demo}$ f$\egroup gegeben durch

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f''(x)(v,w):=(f')'(x)(v)(w).
$\egroup

Rekursiv nennen wir \bgroup\color{demo}$ f$\egroup \bgroup\color{demo}$ n+1$\egroup-mal (stetig) differenzierbar, falls \bgroup\color{demo}$ f'$\egroup \bgroup\color{demo}$ n$\egroup-mal (stetig) differenzierbar ist. Wir schreiben dafür \bgroup\color{demo}$ f\in D^{n+1}$\egroup ( \bgroup\color{demo}$ f\in C^{n+1}$\egroup). Schließlich heißt \bgroup\color{demo}$ f$\egroup glatt (kurz \bgroup\color{demo}$ f\in C^{\infty}$\egroup), wenn \bgroup\color{demo}$ f$\egroup beliebig oft differenzierbar ist.

Unter der $ (n+1)$-ten Ableitung einer \bgroup\color{demo}$ (n+1)$\egroup-mal differenzierbaren Funktion \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup versteht man

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(n+1)}:E\supseteq U\overset{(f')^{(n)}}{\to} L_n(E,\dots,E;L(E,F))
\cong L_{n+1}(E,\dots,E;F).
$\egroup

Beachte die Schreibweise \bgroup\color{demo}$ f^{(n)}$\egroup für höhere Ableitungen, denn \bgroup\color{demo}$ f',f'',f''',\dots$\egroup läßt sich schlecht allgemein aufschreiben, darum setzen wir \bgroup\color{demo}$ f^{(0)}:=f$\egroup, \bgroup\color{demo}$ f^{(1)}:=f'$\egroup, \bgroup\color{demo}$ f^{(2)}:=f''$\egroup,....

Wegen \bgroup\color{demo}$ f'(x)(v)=d_vf(x)$\egroup können wir \bgroup\color{demo}$ f^{(n)}(x)(v_1,\dots,v_n)$\egroup wie folgt durch iterierte Richtungsableitungen berechnen:

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(n)}(x)(v_1,\dots,v_n) = d_{v_1}(d_{v_2}(\dots(d_{v_n} f)\dots))(x)
= d_{v_1}  d_{v_2} \dots  d_{v_n} f (x).
$\egroup

Wir benötigen zuerst den folgenden Spezialfall der Kettenregel für höhere Differenzierbarkeit.




19.1.2 Lemma. Kettenregel für lineare äußere Funktion.
Es sei \bgroup\color{demo}$ a$\egroup linear und \bgroup\color{demo}$ f\in D^p$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ a\o f\in D^p$\egroup.

Beweis. Für \bgroup\color{demo}$ p=1$\egroup wissen wir, daß \bgroup\color{demo}$ (a\o f)'=a_*\o f$\egroup und da \bgroup\color{demo}$ a_*:L(E,F_1)\to L(E,F_2)$\egroup linear ist, können wir Induktion anwenden.     []

Folglich ist die Differenzierbarkeitsklasse zweier Abbildungen gleich, falls diese auf einem linearen Isomorphismus der Bildräume gleich sind, Wir wollen die Bezeichnung \bgroup\color{demo}$ f\simeq g$\egroup benützen, wenn \bgroup\color{demo}$ f=\alpha \o g$\egroup ist für irgendeinen natürlichen linearen Isomorphismus zwischen den Bild-Räumen.




19.1.3 Lemma. Kettenregel für höhere Differenzierbarkeit.

(1)
Jede multilineare Abbildung ist glatt.
(2)
Die Kettenregel ist gültig für $ C^p$ und $ D^p$ für $ p\in\{1,2,\dots,{\infty}\}$.

Beweis. Induktion bezüglich der Differentiationsordnung \bgroup\color{demo}$ p$\egroup:
( \bgroup\color{demo}$ p=0$\egroup) ist trivial.
( \bgroup\color{demo}$ p=1$\egroup) haben wir bereits früher in (17.2.1) & (17.3.3) gezeigt.
( \bgroup\color{demo}$ p+1$\egroup) (1) Für \bgroup\color{demo}$ (p=1)$\egroup wissen wir, daß

$\displaystyle T'(x_1,\dots,x_n)(v_1,\dots,v_n)$ $\displaystyle =\sum_i \d _i T(x_1,\dots,x_n)(v_i)$    
  $\displaystyle = T(v_1,x_2,\dots,x_n)+\dots+ T(x_1,\dots,x_{n-1},v_n)$    

und der \bgroup\color{demo}$ j$\egroup-te Summand durch gegeben ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \xymatrix{
E_1\times \dots\times E_n\ar[-0,1] ...
...n\ar[-0,1]_{T\check{}} &L(E_i,F)
\ar[-1,0]_{\operatorname{pr}_i^*} \\
}$\egroup

Der untere Pfeil ist \bgroup\color{demo}$ n-1$\egroup-linear und die vertikalen Pfeilen sind lineare, daher sind alle nach Induktions-Voraussetzung \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup. Also ist auch \bgroup\color{demo}$ T'$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup (da Summieren linear ist) und daher ist \bgroup\color{demo}$ T$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^{p+1}$\egroup.
(2) Für \bgroup\color{demo}$ (p=1)$\egroup haben wir, daß

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (f\o g)' = \operatorname{komp}\o (f'\o g,g').
$\egroup

Wenn \bgroup\color{demo}$ f$\egroup und \bgroup\color{demo}$ g$\egroup beide \bgroup\color{demo}$ D^{p+1}$\egroup sind, erhalten wir, daß \bgroup\color{demo}$ f'$\egroup und \bgroup\color{demo}$ g'$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup sind und \bgroup\color{demo}$ g$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup ist(!). Also ist \bgroup\color{demo}$ (f'\o g,g')$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup da (!) nach der Kettenregel für \bgroup\color{demo}$ p$\egroup die Komponenten \bgroup\color{demo}$ D^p$\egroup sind. Da \bgroup\color{demo}$ \operatorname{komp}$\egroup bilinear ist, folgt das Resultat von (1) und der Kettenregel für \bgroup\color{demo}$ p$\egroup.

Für \bgroup\color{demo}$ C^p$\egroup erhalten wir die Resultate durch Induktion, denn wenn \bgroup\color{demo}$ f$\egroup \bgroup\color{demo}$ D^{p+1}$\egroup ist, so ist \bgroup\color{demo}$ f$\egroup \bgroup\color{demo}$ C^p$\egroup.     []

Beachte, daß wir für affine und bilineare Abbildungen (1) direkt zeigen könnten ohne die Kettenregel zu benützen, denn die Ableitung einer bilineare Abbildung ist linear und, die einer linearen Abbildung ist konstant. Jedoch ist die Ableitung eine 3-linearen Abbildung nicht bilinear!




19.1.4 Lemma. Differenzierbarkeit in Schritten.
Es sei \bgroup\color{demo}$ 0\leq p<{\infty}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ 0\leq q\leq{\infty}$\egroup und \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup. Dann gilt:

$\displaystyle f$ ist $\displaystyle D^{p+q}$ $\displaystyle \Leftrightarrow f$ ist $\displaystyle D^p$ und $\displaystyle f^{(p)}$ ist $\displaystyle D^q.$    
$\displaystyle f$ ist $\displaystyle C^{p+q}$ $\displaystyle \Leftrightarrow f$ ist $\displaystyle C^p$ und $\displaystyle f^{(p)}$ ist $\displaystyle C^q.$    

Beweis. Wir zeigen dies durch Induktion nach \bgroup\color{demo}$ p$\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ p=0$\egroup ist nichts zu zeigen.
\bgroup\color{demo}$ (p+1)$\egroup \bgroup\color{demo}$ (\Rightarrow)$\egroup

  $\displaystyle f\in D^{p+q+1}$    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D,\; g:=f'\in D^{p+q}$   nach Definition    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D,\; f'=g\in D^p,\; g^{(p)}\in D^q$   nach Induktions-Voraussetzung    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D^{p+1},\; f^{(p+1)}\simeq (f')^{(p)}\in D^q$   nach Definition$\displaystyle .
$    

( \bgroup\color{demo}$ \Leftarrow)$\egroup

  $\displaystyle f\in D^{p+1},\; (f')^{(p)}\simeq f^{(p+1)}\in D^q$    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D,\; g:=f'\in D^p,\; g^{(p)}\in D^q$   nach Definition    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D,\; f'=g\in D^{p+q}$   nach Induktions-Voraussetzung    
$\displaystyle \Rightarrow$ $\displaystyle f\in D^{1+p+q}$   nach Definition$\displaystyle .
$    

Für stetige Differenzierbarkeit haben wir nur zu zeigen, daß \bgroup\color{demo}$ f\in
C^{p+q}\Rightarrow f\in C^p$\egroup. O.B.d.A. sei \bgroup\color{demo}$ q>0$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ f\in D^{p+1}$\egroup wegen \bgroup\color{demo}$ (\Rightarrow)$\egroup und daher \bgroup\color{demo}$ f\in D^p$\egroup und \bgroup\color{demo}$ f^{(p)}\in D$\egroup. Somit ist \bgroup\color{demo}$ f^{(p)}\in C$\egroup, d.h. \bgroup\color{demo}$ f\in C^p$\egroup.     []

Wir wollen als nächstes (17.3.1) auf höhere Differenzierbarkeit verallgemeinern, d.h. aus der Existenz der iterierten partiellen Ableitungen \bgroup\color{demo}$ \d _{i_1}\dots \d _{i_p} f$\egroup und einer geeigneten Stetigkeitsbedingung auf \bgroup\color{demo}$ f\in C^p$\egroup schließen.




19.1.5 Proposition. Höhere Differenzierbarkeit via partielle Ableitungen.
Es ist \bgroup\color{demo}$ f:E=\mathbb{R}^n\supseteq U\to F$\egroup genau dann \bgroup\color{demo}$ C^p$\egroup, wenn alle iterierten partiellen Ableitungen \bgroup\color{demo}$ \d _{i_1}\dots\d _{i_p}f:U\to F$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ i_1,\dots,i_p\in\{1,\dots,n\}$\egroup existieren und stetig sind. Weiters haben wir dann

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)
= \sum_{i_1=1}^n\do...
..._{i_1}\cdots \d _{i_p} f(x) \cdot v_1^{i_1}\cdot\ldots\cdot v_p^{i_p},
$\egroup

wobei \bgroup\color{demo}$ v_i^j$\egroup die \bgroup\color{demo}$ j$\egroup-te Koordinate von \bgroup\color{demo}$ v_i$\egroup bezeichnet.

Beweis. Man zeigt dies mittels Induktion wie in (17.3.3), denn \bgroup\color{demo}$ f^{(p)}(x)$\egroup ist \bgroup\color{demo}$ p$\egroup-linear und somit ist

$\displaystyle f^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)$ $\displaystyle = f^{(p)}(x)\Bigl(\sum_{i_1}v_1^{i_1} e_{i_1},\dots,\sum_{i_p}v_p^{i_p} e_{i_p}\Bigr)$    
  $\displaystyle = \sum_{i_1}\dots\sum_{i_p} v_1^{i_1}\dots v_p^{i_p} \cdot f^{(p)}(x) ( e_{i_1},\dots,e_{i_p})$    
  $\displaystyle =\sum_{i_1,\dots,i_p} v_1^{i_1}\dots v_p^{i_p} \cdot \d _{i_1}\dots\d _{i_p} f(x).{\rm\quad[]}$    


19.1.6 Beispiel. Zweite Ableitung.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:\mathbb{R}^2\to\mathbb{R}$\egroup gegeben durch \bgroup\color{demo}$ f(x,y)=x^2\cdot \sin(y)$\egroup. Dann ist

$\displaystyle \d _1 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; 2 x\phantom{{}^2}\cdot \sin(y)$    
$\displaystyle \d _1\d _1 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; 2 \phantom{x{}^2}\cdot \sin(y)$    
$\displaystyle \d _2\d _1 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; 2 x\phantom{{}^2}\cdot \cos(y)$    
$\displaystyle \d _2 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; \phantom{2} x^2 \cdot \cos(y)$    
$\displaystyle \d _1\d _2 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; 2 x\phantom{{}^2}\cdot \cos(y)$    
$\displaystyle \d _2\d _2 f(x,y) \;$ $\displaystyle =\; -x^2\cdot \sin(y)$    

Die Ableitung \bgroup\color{demo}$ f'(z)$\egroup mit \bgroup\color{demo}$ z:=(x,y)$\egroup wirkt also durch

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f'(z)(u_1,u_2) = \Bigl(\d _1f(z),  \d _2 f(z)\Bigr) \cdot
\begin{pmatrix}u_1  u_2 \end{pmatrix}.
$\egroup

Für die zweite Ableitung \bgroup\color{demo}$ f''(z)$\egroup erhalten wir

$\displaystyle f''(z)$ $\displaystyle (u_1,u_2;v_1,v_2) = (f')'(z)(u_1,u_2)(v_1,v_2) = (\d _1 f'(z) u_1 + \d _2 f'(z) u_2)(v_1,v_2)$    
  $\displaystyle = \d _1 \d _1 f(z) u_1 v_1 + \d _1\d _2 f(z)  u_1 v_2 +\d _2 \d _1 f(z) u_2 v_1 + \d _2\d _2 f(z)  u_2 v_2$    
  $\displaystyle = ( u_1 , u_2 ) \cdot \begin{pmatrix}\d _1\d _1 f(z) & \d _1\d _2...
...) & \d _2\d _2 f(z) \end{pmatrix} \cdot \begin{pmatrix}v_1  v_2 \end{pmatrix}$    

Wer sich wundert, daß man für die zweite Ableitung auch gemischte partielle Ableitungen wie \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _2 f$\egroup berücksichtigen muß, betrachte folgendes Beispiel:

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f(x,y):=x\cdot y
$\egroup

Image ..//pic-4-22.gif

Bei festem \bgroup\color{demo}$ x$\egroup beschreibt \bgroup\color{demo}$ f$\egroup eine Gerade \bgroup\color{demo}$ y\mapsto x y$\egroup mit Anstieg \bgroup\color{demo}$ x$\egroup und analog für \bgroup\color{demo}$ y$\egroup. Die iterierten Ableitungen \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _1 f$\egroup und \bgroup\color{demo}$ \d _2\d _2 f$\egroup sind also überall 0. Wenn wir die Funktion \bgroup\color{demo}$ f$\egroup nun mittels einer Rotation \bgroup\color{demo}$ R$\egroup um \bgroup\color{demo}$ 45^o$\egroup drehen, also anstelle der standard Koordinatenrichtungen \bgroup\color{demo}$ e_1$\egroup und \bgroup\color{demo}$ e_2$\egroup die um \bgroup\color{demo}$ -45^o$\egroup gedrehten Richtungen \bgroup\color{demo}$ b_i:=R^{-1}(e_i)$\egroup verwenden und somit wegen

\bgroup\color{demo}$\displaystyle [R]
=\begin{pmatrix}\cos(\frac{\pi}4) & -\sin(...
...d{pmatrix}=\frac1{\sqrt{2}}\begin{pmatrix}1 & -1
 1 & 1 \end{pmatrix}$\egroup

nach (10.25). Da nach (10.20a) für die Basiswechselabbildung \bgroup\color{demo}$ R:b_i\mapsto e_i$\egroup die Gleichung \bgroup\color{demo}$ [R]_{B,B}=[R]_{E,E}=[\operatorname{id}]_{E,B}$\egroup gilt, sind die neuen Koordinaten

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \binom{u}{v}:=[R]\cdot\binom{x}{y}=\frac1{\sqrt{2}}\binom{x-y}{x+y}
$\egroup

in \bgroup\color{demo}$ \mathbb{R}^2$\egroup betrachten, so ist \bgroup\color{demo}$ f$\egroup in diesen neuen Koordinaten durch

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \tilde f:=f\o R:(u,v)\mapsto (x,y)\mapsto f(x,...
...ot y=\tfrac1{\sqrt{2}}(u+v)\cdot
\tfrac1{\sqrt{2}}(v-u)=\frac{v^2-u^2}2
$\egroup

gegeben, denn

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \binom{x}{y}=[R^{-1}]\cdot\binom{u}{v}=\frac1{\sqrt{2}}\binom{u+v}{-u+v}.
$\egroup

Image ..//pic-5-11.gif

Parallel zu den neuen Koordinatenachsen \bgroup\color{demo}$ b_1$\egroup und \bgroup\color{demo}$ b_2$\egroup wird \bgroup\color{demo}$ \tilde f$\egroup nun durch Parabeln beschrieben und sowohl \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _1\tilde f=-1$\egroup als auch \bgroup\color{demo}$ \d _2\d _2\tilde f=1$\egroup verschwinden nicht mehr. Mittels Kettenregel erhalten wir

\bgroup\color{demo}$\displaystyle (f\o R)'(u,v)\binom{h_1}{h_2}
=f'(R(u,v)) \Bigl(R\binom{h_1}{h_2}\Bigr)
=(f'\o R)(u,v) \Bigl(R\binom{h_1}{h_2}\Bigr)
$\egroup

und somit

$\displaystyle (f\o R)''(u,v)\Bigl(\binom{h_1}{h_2},\binom{k_1}{k_2}\Bigr)$ $\displaystyle =\Bigl((f\o R)'\Bigr)'(u,v)\binom{h_1}{h_2}\binom{k_1}{k_2}$    
  $\displaystyle =\Bigl(f'\o R\Bigr)'(u,v)\binom{h_1}{h_2}\Bigl(R\binom{k_1}{k_2}\Bigr)$    
  $\displaystyle =\Bigl((f')'\o R\Bigr)(u,v)\Bigl(R\binom{h_1}{h_2}\Bigr)\Bigl(R\binom{k_1}{k_2}\Bigr)$    
  $\displaystyle =\Bigl((f')'(R(u,v))\Bigr)\Bigl(R\binom{h_1}{h_2}\Bigr) \Bigl(R\binom{k_1}{k_2}\Bigr)$    
  $\displaystyle =\Bigl(f''(R(u,v))\Bigr)\Bigl(R\binom{h_1}{h_2},R\binom{k_1}{k_2}\Bigr)$    

Somit berechnet sich \bgroup\color{demo}$ \d _2\d _2\tilde f$\egroup auch wie folgt

$\displaystyle \d _2\d _2 (f\o R)(u,v)$ $\displaystyle = (f \o R)''(u,v)(e_2,e_2) = f''(x,y) (R e_2,R e_2) = f''(x,y) (b_2,b_2)$    
  $\displaystyle =f''(x,y) \Bigl(\frac1{\sqrt{2}}\binom{1}{1},\frac1{\sqrt{2}}\binom{1}{1}\Bigr)$    
  $\displaystyle = \d _1\d _1 f(x,y) \frac1{\sqrt{2}} \frac1{\sqrt{2}} +\d _1\d _2 f(x,y) \frac1{\sqrt{2}} \frac1{\sqrt{2}}$    
  $\displaystyle \quad +\d _2\d _1 f(x,y) \frac1{\sqrt{2}} \frac1{\sqrt{2}} +\d _2\d _2 f(x,y) \frac1{\sqrt{2}} \frac1{\sqrt{2}}$    
  $\displaystyle =0+\frac12+\frac12+0=1$    

Man beachte, daß in diesen Beispielen \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _2 f(z)=\d _2\d _1 f(z)$\egroup gilt. Daß dies ziemlich allgemein der Fall ist, zeigt folgender Satz:




19.1.7 Satz von Schwarz.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup und \bgroup\color{demo}$ u,v\in E$\egroup gegeben. Wir nehmen an, daß \bgroup\color{demo}$ d_u f(x)$\egroup, \bgroup\color{demo}$ d_vf(x)$\egroup und \bgroup\color{demo}$ d_ud_v f(x)$\egroup existieren und stetig in \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup sind. Dann existiert \bgroup\color{demo}$ d_vd_u f(x)$\egroup und stimmt überein mit \bgroup\color{demo}$ d_ud_v f(x)$\egroup.

Beweis. Es ist

$\displaystyle (d_ud_v f)(x)$ $\displaystyle = \lim_{t\to 0+} \frac{d_vf(x+tu)-d_vf(x)}{t}$    
  $\displaystyle = \lim_{t\to 0+} \lim_{s\to 0+} \left(\frac{f(x+tu+sv)-f(x+tu)}s - \frac{f(x+sv)-f(x)}s\right) \cdot \frac1{t}$    
  $\displaystyle = \lim_{t\to 0+} \lim_{s\to 0+} \varphi (t,s),$    

wo

$\displaystyle \varphi (t,s)$ $\displaystyle := \left(\frac{f(x+tu+sv)-f(x+tu)}s - \frac{f(x+sv)-f(x)}s\right) \cdot \frac1{t}$    
  $\displaystyle = \Bigl(\int_0^1 d_v f(x+tu+\sigma sv) d\sigma - \int_0^1 d_v f(x+\sigma sv) d\sigma \Bigr)\cdot \frac1t$    
  $\displaystyle = \int_0^1 \frac{d_v f(x+tu+\sigma sv) - d_v f(x+\sigma sv)}{t}  d\sigma$    
  $\displaystyle = \int_0^1 \int_0^1 d_u d_v f(x+\tau tu+\sigma sv)  d\tau  d\sigma \to$    
  $\displaystyle \qquad\to \int_0^1 \int_0^1 d_u d_v f(x+\tau tu)  d\tau  d\sigma ,$    

für \bgroup\color{demo}$ s\to 0+$\egroup gleichmäßig in \bgroup\color{demo}$ t\in [-1,1]$\egroup, da wegen der Stetigkeit von \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _2 f$\egroup

\bgroup\color{demo}$\displaystyle d_u d_v f(x+\tau tu+\sigma sv)\to d_u d_v f(x+\tau tu)$\egroup    für \bgroup\color{demo}$\displaystyle s\to 0+$\egroup glm. in \bgroup\color{demo}$\displaystyle \tau ,t,\sigma .
$\egroup

Für \bgroup\color{demo}$ s\ne 0$\egroup existiert wegen der Existenz von \bgroup\color{demo}$ d_u f$\egroup

$\displaystyle \lim_{t\to 0+} \varphi (t,s)$ $\displaystyle = \lim_{t\to 0+} \frac{f(x+tu+sv)-f(x+tu) - f(x+sv)+f(x)}{t s}$    
  $\displaystyle = \frac{d_u f(x+sv) - d_u f(x)}s$    

Damit ist \bgroup\color{demo}$ \varphi $\egroup stetig bei 0 und wir erhalten

$\displaystyle \exists d_vd_u f(x)$ $\displaystyle := \lim_{s\to 0+} \lim_{t\to 0+} \varphi (t,s) = \lim_{s\to 0+, t\to 0+} \varphi (t,s)$    
  $\displaystyle = \lim_{t\to 0+} \lim_{s\to 0+} \varphi (t,s) = d_ud_v f(x){\rm\quad[]}$    


Beispiel.
Betrachte

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f(x,y) := \left\{\begin{array}{ll} 0 &\text{fü...
...}4
= r^2\frac{\sin(4\varphi )}4
&\text{andernfalls.} \end{array}\right.
$\egroup

Image ..//pic-4-06.gif

Dann existiert \bgroup\color{demo}$ \d _i\d _j$\egroup für alle \bgroup\color{demo}$ i,j$\egroup, aber \bgroup\color{demo}$ \d _1\d _2 f(0,0)\ne \d _2\d _1 f(0,0)$\egroup.
In der Tat \bgroup\color{demo}$ \d _1f(0,y)=-y$\egroup, \bgroup\color{demo}$ \d _2f(x,0)=x$\egroup und daher erhalten wir \bgroup\color{demo}$ \d _2\d _1 f(0,0)=-1\ne 1=\d _1\d _2 f(0,0)$\egroup.




Folgerung.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup \bgroup\color{demo}$ C^p$\egroup. Dann ist \bgroup\color{demo}$ f^{(p)}(x)$\egroup symmetrisch für alle \bgroup\color{demo}$ x\in U$\egroup.

Beweis. Wir zeigen dies mittels Induktion nach \bgroup\color{demo}$ p$\egroup. Für \bgroup\color{demo}$ (p=2)$\egroup ist das (19.1.7), denn \bgroup\color{demo}$ f''(x)(u,v)=\d _1\d _2 g(0,0)$\egroup gilt, wobei \bgroup\color{demo}$ g(t,s):=f(x+t u+s v)$\egroup.

Für \bgroup\color{demo}$ (p+1)$\egroup haben wir

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(p+1)}(x)(v_1,\dots,v_{p+1})
:= (f')^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)(v_{p+1}).
$\egroup

Da \bgroup\color{demo}$ g:=f':U\to L(E,F)$\egroup \bgroup\color{demo}$ C^p$\egroup ist, erhalten wir nach Induktions-Hypothese, daß der Ausdruck \bgroup\color{demo}$ g^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)$\egroup symmetrisch in \bgroup\color{demo}$ (v_1,\dots,v_p)$\egroup ist und

\bgroup\color{demo}$\displaystyle g^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p) = (g')^{(p-1)}(x)(v_1,\dots,v_{p-1})(v_p).
$\egroup

Also ist

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(p+1)}(x)(v_1,\dots,v_{p+1})
= g^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)(v_{p+1})
$\egroup

symmetrisch in \bgroup\color{demo}$ (v_1,\dots,v_p)$\egroup und

$\displaystyle f^{(p+1)}(x)(v_1,\dots,v_{p+1})$ $\displaystyle = (g')^{(p-1)}(x)(v_1,\dots,v_{p-1})(v_p)(v_{p+1})$    
  $\displaystyle = ((f')')^{(p-1)}(x)(v_1,\dots,v_{p-1})(v_p)(v_{p+1})$    
  $\displaystyle = (f'')^{(p-1)}(x)(v_1,\dots,v_{p-1})(v_p,v_{p+1})$    

ist symmetrisch in \bgroup\color{demo}$ (v_p,v_{p+1})$\egroup da \bgroup\color{demo}$ f''(x)$\egroup symmetrisch ist. Somit folgt das Resultat, da die Permutationen von \bgroup\color{demo}$ \{1,\dots,p+1\}$\egroup erzeugt werden durch jene von \bgroup\color{demo}$ \{1,\dots,p\}$\egroup und die Transposition \bgroup\color{demo}$ (p,p+1)$\egroup.     []


Bemerkung.
Es sei \bgroup\color{demo}$ f:E\supseteq U\to F$\egroup \bgroup\color{demo}$ p$\egroup-mal differenzierbar. Dann ist nach (19.1.5)

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(p)}(x)(v_1,\dots,v_p)
= d_{v_1}\dots d_{v...
...dots,i_p} v_1^{i_1}\dots v_p^{i_p} \cdot
\d _{i_1}\dots\d _{i_p} f(x).
$\egroup

Wenn wir nun die Symmetrie der \bgroup\color{demo}$ p$\egroup-ten Ableitung verwenden, so können wir die partiellen Ableitungen nach Größe des Index sortieren und brauchen nur den Koeffizienten von \bgroup\color{demo}$ (\d _1)^{p_1}\dots (\d _n)^{p_n}$\egroup bestimmen, wobei \bgroup\color{demo}$ p_1+\dots+p_n=p$\egroup und alle \bgroup\color{demo}$ p_i\geq 0$\egroup. Dieser ist gerade

\bgroup\color{demo}$\displaystyle \sum_{i_1,\dots,i_p} v_1^{i_1}\dots v_p^{i_p},
$\egroup

wobei die Summe über all jene Indizes \bgroup\color{demo}$ i_1,\dots,i_p$\egroup läuft, von denen gerade \bgroup\color{demo}$ p_1$\egroup viele \bgroup\color{demo}$ 1$\egroup sind, \bgroup\color{demo}$ p_2$\egroup viele \bgroup\color{demo}$ 2$\egroup sind, ..., und \bgroup\color{demo}$ p_n$\egroup viele \bgroup\color{demo}$ n$\egroup sind. Ist insbesonders \bgroup\color{demo}$ v_1=\dots=v_n=v$\egroup, so ist der entsprechende Koeffizient \bgroup\color{demo}$ v_1^{i_1}\dots v_n^{i_n}=(v^1)^{p_1}\dots (v^n)^{p_n}$\egroup und es gibt genau \bgroup\color{demo}$ \frac{p!}{p_1!\dots p_n!}$\egroup viele solche Summanden (Anzahl der Möglichkeiten die \bgroup\color{demo}$ p=p_1+\dots+p_n$\egroup vielen partiellen Ableitungen auf die Kästchen mit gegebener Koordinatenrichtung zu verteilen), d.h.

\bgroup\color{demo}$\displaystyle f^{(p)}(x)(v,\dots,v)
= \sum_{p_1+\dots+p_n=p...
...(v^1)^{p_1}\dots (v^n)^{p_n}  (\d _1)^{p_1}\dots (\d _n)^{p_n}  f(x).
$\egroup

Andreas Kriegl 2002-07-01